Lokführer springen für streikende Kollegen ein und schieben immer mehr Überstunden

Kaltenkirchen. Der Dauerstreik der GDL-Lokführer bei der AKN nervt nicht nur die Fahrgäste, sondern auch viele Eisenbahner. "Uns reicht es!" Das sagt der Betriebsratsvorsitzende Thomas Bartossek. Er fürchtet eine Überlastung der Lokführer, die für ihre streikenden Kollegen einspringen und damit den Notfahrplan auf den Bahnlinien sicherstellen. "Seit Wochen geht es hier härter zu als sonst", sagt Bartossek.

Wie berichtet, sind die Mitglieder der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) vor vier Wochen bei der AKN in den Streik getreten. 45 Lokführer beteiligen sich an dem 15. Ausstand seit Beginn der Auseinandersetzungen. Den Betrieb halten - wenn auch stark eingeschränkt - die Lokführer aufrecht, die in einer anderen Gewerkschaft organisiert sind oder keiner angehören. Ihre Schichten werden auf bis zu zehn Stunden verlängert. Außerdem übernehmen sie freiwillig zusätzliche Schichten in ihrer Freizeit. Verstärkung erhalten sie aus der Werkstatt und anderen Bereichen der AKN von Kollegen, die einen Lokführerschein besitzen, aber normalerweise andere Aufgaben bei der Eisenbahngesellschaft übernehmen. "Dort bleibt die Arbeit jetzt liegen", sagt Bartossek. "Wie lange die Kollegen noch bereit sind, das mitzutragen, weiß ich nicht." Den Lokführern fehle Freizeit.

Die Forderungen der GDL nach einem einheitlichen Tarifvertrag für alle deutschen Lokführer kann der Betriebsrat nicht nachvollziehen. Auch widerspricht er der GDL-Behauptung, die AKN zahle Dumping-Löhne. "Wir bewegen uns im oberen Bereich", sagt der Betriebsratsvorsitzende.

Als unverständlich bezeichnet er die Anfeindungen von Fahrgästen gegen Lokführer. "In den Zügen sitzen diejenigen, die nicht streiken", sagt Bartossek. "Das ist die falsche Adresse, um die Wut herauszulassen."

Besonders sauer ist der Betriebsrat auf den GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky. Er hatte die AKN als "Totalverweigerer" bezeichnet und das Unternehmen davor gewarnt, den Konflikt fortzusetzen. "Wer das aussitzen will, läuft Gefahr, vom Markt zu verschwinden", hatte Weselsky gesagt.

"Das ist ein Affront", sagte Bartossek empört. "Wenn jetzt mit Arbeitsplätzen gepokert wird, ist der Spaß vorbei." Er vermutet, dass es der GDL bei den bundesweiten Arbeitskämpfen nur vordergründig um die Inhalte der Tarifverträge gehe. Sie wolle ein Alleinvertretungsrecht für Lokführer durchsetzen. Die meisten deutschen Eisenbahner sind beim GDL-Konkurrenten EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) organisiert.

"Das ist ein organisationspolitischer Streik", sagt Bartossek und spricht von einem Machtkampf der Gewerkschaften. "Die Kollegen bei der AKN merken gar nicht, dass sie dafür verheizt werden."