Eltern der vor 27 Jahren getöteten Gabriele Stender verdoppeln die Belohnung. DNA-Tests gehen weiter

Henstedt-Ulzburg. Die intensive Suche nach dem Mörder von Gabriele Stender geht weiter. Teams der Mordkommission aus Kiel und der Polizeidirektion Bad Segeberg sind täglich unterwegs, suchen Männer aus dem Umfeld der Toten auf und nehmen Speichelproben für einen DNA-Test. 150 Proben haben die Ermittler bereits zur Analyse ans Kieler Landeskriminalamt geschickt und warten jetzt auf die Ergebnisse. Wie viele Männer noch Besuch von der Polizei bekommen, will die Mordkommission nicht preisgeben. Fest steht: Die Untersuchungen gehen weiter und werden möglicherweise noch ausgeweitet. "Auch ein Massengentest könnte noch folgen", sagt Polizeisprecherin Tanja Emmen. "Unsere Arbeit kann noch Monate oder Jahre dauern."

Mit den Speichelproben hofft die Polizei, dem Mann auf die Spur zu kommen, der vor fast 27 Jahren die Schwesternschülerin Gabriele Stender aus Henstedt-Ulzburg vergewaltigt und erdrosselt hat. Die 18 Jahre alte Frau war in der Nacht zum 4. Februar 1984 in Henstedt-Ulzburg verschwunden und wurde acht Tage später in einem Wald in Weddelbrook bei Bad Bramstedt ermordet entdeckt. Im Sommer dieses Jahres war es Spezialisten des Landeskriminalamtes in Kiel gelungen, mit einem neuen verfeinerten Analyseverfahren eine Gen-Spur zu identifizieren, die damals am Tatort sichergestellt wurde und dem Täter zweifelsfrei zugeordnet werden kann.

Im September dieses Jahres hat die Mordkommission damit begonnen, erste Speichelproben von Männern zu nehmen, die zum Umfeld der jungen Frau gehörten, die im Krankenhaus Kaltenkirchen eine Lehre als Krankenschwester begonnen hatte. Außer mit Freunden und Kollegen des Opfers beschäftigt sich die Polizei besonders mit Besuchern der Diskothek "Kutsche" in Alveslohe, in der die hübsche und beliebte Schwesternschülerin Stammgast war. Am Abend ihres Verschwindens wollte sie von der Hamburger Straße in Henstedt-Ulzburg als Anhalterin zur "Kutsche" fahren, kam dort aber nie an.

"Es hat ein Kampf stattgefunden", sagt ein Ermittler der Mordkommission

Was während der Autofahrt geschah, ist bis heute unklar. Ob der Täter die junge Frau entführte, oder ob sie sich freiwillig zur Fichtenschonung "Vogelzunge" nach Weddelbrook fahren ließ, weiß die Polizei nicht. Fest steht, dass Gabriele Stender mit ihrem eigenen Schal erdrosselt wurde. "Es hat ein Kampf stattgefunden", sagt ein Ermittler.

Die Mordkommission geht davon aus, dass damals regelmäßig bis zu 500 Menschen die Disco besuchten. Das Lokal zog junge Menschen aus der gesamten Region an. "Der Einzugsbereich reichte bis nach Hamburg", sagt ein Polizist. Denkbar ist allerdings auch, dass der Täter nicht aus der Gegend kam, sondern die Anhalterin zufällig entdeckte und tötete.

Teilweise seien die Ermittlungen schwierig, weil einige Männer fortgezogen seien. Die Polizei macht sie mit großem Aufwand ausfindig, um eine Probe nehmen zu können. "Wir machen auch nicht halt, wenn Menschen im Ausland leben", sagt Polizeisprecherin Tanja Emmen. Der erste Bericht der Norderstedter Zeitung im September über die neuen Ermittlungen habe viele Menschen aufgewühlt, heißt es aus Ermittlerkreisen: "Die Erinnerung an die Tat wurde geweckt." Bei den Gesprächen während der Hausbesuche hätten sich eine Reihe neuer Ermittlungsansätze ergeben. "Wir bekommen neue Hinweise auf diverse Personen", sagt die Sprecherin. Bei vielen Menschen sei der Fall immer noch sehr präsent.

"Wir bitten die Menschen, sich in die Zeit hineinzuversetzen", betont Inga Cordsen von der Polizeistation Itzstedt, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Wolfgang Thietje von der Segeberger Kripo die Mordkommission unterstützt. "Die Leute sind überwiegend neugierig und positiv eingestellt", berichtet die Polizistin. Die Speichelprobe ist freiwillig, jeder Mann darf sie ablehnen. Die Entscheidung führt allerdings zu Konsequenzen. "Für die Verweigerer interessieren wir uns natürlich besonders", erklärt eine Ermittlerin. Erhärte sich der Verdacht gegen die Person, könne eine Probe per Gerichtsbeschluss erzwungen werden.

Die Familie des Opfers hat in der vergangenen Woche die Belohnung für Hinweise aufgestockt, die zur Festnahme des Täters führen. Sie lobt 1500 Euro aus, die gleiche Summe stellt die Staatsanwaltschaft in Kiel zur Verfügung. "Die Familie befindet sich jetzt in einer schwierigen Situation", sagt eine Ermittlerin. Das Hoffen und Bangen, ob der Mörder gefunden wird, gehe weiter.

Polizei bittet um Hinweise auf Sexualdelikte im Umfeld der "Kutsche"

Bei ihren Ermittlungen geht die Mordkommission auch neuen Hinweisen auf Sexualstraftaten nach, zu denen es Mitte der 80er-Jahre im Umfeld der "Kutsche" gekommen ist. Nicht alle Taten wurden angezeigt. Über die Delikte, die vor Gericht kamen, liegen keine Akten mehr vor. Deshalb bittet die Polizei dringend Opfer dieser Straftaten, sich zu melden.

Die Mordkommission bittet um Hinweise unter der Telefonnummer 0431/160 33 33 oder unter 110.