Mit einer fulminanten Show eröffnete das Veranstaltungshaus in Norderstedt und bietet Norderstedter Kulturvereinen neue Bühne.

Norderstedt. Soviel Harmonie ist selten! Bei der Eröffnung des Kulturwerks am See, das schon jetzt weit über Norderstedt hinaus Beachtung findet, schwärmten 200 Gäste aus Kultur, Wirtschaft und Politik nicht nur vom kreativen Umbau des ehemaligen Kalksandsteinwerks zum neuen Veranstaltungshaus mit zwei Bühnen, einem 100 Meter langen Foyer mit angrenzendem Musikschulgebäude und Innenhof. Sie schwelgten auch in Kunst und Kultur. Rajas Thiele, Geschäftsführer der Mehrzwecksäle Norderstedt und damit des Kulturwerks, hat mit seinem Team ganze Arbeit geleistet.

In den letzten Tagen war noch die Zuschauer-Empore im großen Saal neu gesetzt worden. Der Charme des ehemaligen Industriegebäudes aber blieb stets erhalten, sei es mit den Graffiti von heimlichen Besuchern während der Ruinen-Zeit des Kalksandsteinwerks, seien es die Schienen für die Loren, die den Sand aus dem Baggersee, jetzt Stadtparksee, in die Öfen zum Brennen der Kalksandsteine karrten. Auch die drei riesigen Brennofen-Rohre sind erhalten - und dienen heute als Zuschauer-Garderoben.

+++ Und das ist los im Kulturwerk +++

"Das hier ist großartig geworden, und wir freuen uns, dass aus dem Industriegebäude, das mein Großvater baute, heute ein Kulturwerk entstanden ist", sagte Peter Potenberg-Christoffersen. Er habe selbst diverse Pläne für das seit 1988 brachliegende Fabrikgebäude durchgespielt, "aber ein Kulturwerk war nicht in unserem Fokus." Eher habe sein Immobilienunternehmen an Reihenhäuser und Wohnungsbau gedacht.

"Macht Spaß hier!", sagte Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote und strahlte noch mehr als bei der Eröffnung der Landesgartenschau 2011. "Wo 1,3 Milliarden Kalksandsteine vom Band liefen, wo schon der Abriss drohte, dort haben wir jetzt Räume für Kultur geschaffen, Räume für die Kulturschaffenden in dieser Stadt und Raum für Wirtschaft und Gesellschaft", sagte Grote. Norderstedts Oberbürgermeister setzte nach: "Kultur ist kein Luxus, Kultur ist Gemeinschaft, ohne Kultur geht die Menschheit unter, und deshalb wollen wir die Kultur in dieser Stadt ausbauen." Über die Kultur würden sich die Bürger mit ihrer Stadt identifizieren. "Kunst und Kultur können den Unterschied ausmachen, ob ein Bürger in dieser Stadt bleibt oder nicht", philosophierte Grote, der auch das Engagement des Thiele-Teams lobte: "Die haben auch noch Spaß daran, wenn man sie ausbeutet." Das Kulturwerk würde der Stadt zwar Geld kosten, aber das sei gut angelegt.

"In Schleswig-Holstein wird die Kultur zusammengestrichen, umso größeren Respekt habe ich vor dem, was hier entstanden ist", sagte Burkhard Stein, Verwaltungsdirektor und stellvertretender Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals, und lobte das Engagement von Norderstedts politischen Gremien und Verwaltung als vorbildlich, zumal Kultur "echte Wertschöpfungseffekte für die Wirtschaft erziele und ein dynamischer Wirtschaftszweig" sei. Er sehe durchaus die Chance, 2013 ein Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Kulturwerk zu veranstalten. Der Charme des Gebäudes würde sehr gut ins Spielort-Konzept des Festivals passen.

"In Zeiten, in denen andere Kommunen streichen, legt Norderstedt nach und gibt seinen Kulturträgern ein neues Haus, das nenne ich Weitblick", sagte Rajas Thiele und rief den Kulturträgern zu: "Gewinnen Sie dieses Haus für sich, es ist Ihr Haus, und wir machen dieses Haus für Sie bespielbar!" Das Kulturwerk habe seinen eigenen Charme. "Wenn man hier viel Zeit verbringt, merkt man, das Haus lebt", sagte Thiele.

Das erste Konzert im neuen Veranstaltungshaus gab des "Evrus-Trio" mit Musikerinnen des NDR-Sinfonieorchesters mit einem leidenschaftlich gespielten Klavier-Trio von Franz Schubert. Christa Heise-Batt, Norderstedts erste Kulturpreisträgerin, las unter dem Beifall des Publikums mit "De chinesische Lina" und "Dat Huuskunzert" zwei eigene Geschichten und "Dat Sinfoniekunzert" von Boy Lornsen.

Das Kulturwerks-Team zeigte mit einer Lasershow, welche Technik in den Regiepulten steckt, und die "Hamborger Schietgäng" setzte im Alfred-Stern-Studio einen schrägen Schlusspunkt.

"Das Haus bringt jetzt schon Spaß", sagte Michael Scharbert, Leiter des Amateurtheaters Pur, und inspizierte die Bühne. Am Donnerstag, 22. März, 19 Uhr, hat sein Theater im Kulturwerk Premiere mit dem klassischen Schwergewicht "Die geschlossene Gesellschaft" von Jean Paul Sartre.

Almut Stümke, Leiterin der Johanneskantorei und des Chors "consonare", brachte Nachwuchs mit. Ihr Sohn Jonathan war mit neun Monaten der jüngste Gast der Kulturwerksfeier.

Am zweiten Abend feierten 90 Zuschauer das Scherzo "Mozart auf der Reise nach Prag" mit Barbara Kratz in allen Rollen und mit Mozarts Leibspeisen als Menü an der langen Tafel im Foyer. "Das ist einfach wunderbar", schwärmte Manfred Ritzek (Europa-Union Norderstedt) von Norderstedts neuem Veranstaltungshaus.