T-Shirts, Kappen und Buttons aus der Produktion des Knastes in Fuhlsbüttel und in Glasmoor sind ein weltweiter Erfolg. Für die Häftlinge verbindet sich mit der Arbeit die Hoffnung auf ein bürgerliches Leben außerhalb von Gefängnismauern. Der Kult um die Knast-Artikel soll ihr Selbstbewusstsein stärken.

Eine Kappe mit der Hammaburg drauf, oder ein Halstuch mit dem Hamburger Wahrzeichen, natürlich auch das T-Shirt mit der HSV-Raute oder dem Pauli-Totenkopf auf der Brust. Das sind die gängigen Mitbringsel, die Urlaubsreisende, Transitpassagiere oder Geschäftsreisende aus aller Welt in den Andenkenläden am Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel für Frau, Kinder, Freunde oder Verwandte kaufen. Doch Hammaburg, Raute und Totenkopf haben Konkurrenz bekommen. Kriminelle Konkurrenz.

Kappen, T-Shirts, Trikots und Buttons, darauf der Schriftzug Santa Fu, dazu vier senkrechte Striche und einer quer darüber, das Symbol für den traditionellen Knastkalender, wie er seit Generationen direkt in die Zellenwand geritzt wird und dessen Striche wahlweise für fünf Tage, fünf Wochen, fünf Monate oder fünf Jahre stehen, je nach Schwere der Strafe und nach Ungeduld des Häftlings. Slogans wie "Unschuldig", "Lebenslänglich" oder "Auf Bewährung" prangen auf der Brust dieser T-Shirts.

Was diese Produkte zu absoluten Rennern in den Andenken-Shops macht, ist ihre Herkunft: Santa Fu. Eine der weltweit berühmtesten Haftanstalten, wo seit 1906 die bösen Buben brummen, wo in der Vorstellung des Knastunerprobten nur die ganz Harten überleben, wo die Blechgeschirre klappern und die Tattoos mit heißen Nähnadeln gestochen werden, wo Mörder und Totschläger, Rocker und Reeperbahn-Originale Skat dreschen. Es ist diese unheimliche Knastromantik, diese mythische Verklärung des Gefängnisalltags, die den Produkten aus dem Knast ihre schaurige Patina geben. Denn an allen T-Shirts, Kappen oder Trikots haben echte Verbrecher ihre kriminellen Hände angelegt.

Natürlich ist die Realität völlig anders und total unspektakulär. Wer hinter die Kulissen der Erfolgsgeschichte der "Santa Fu"-Kollektion blicken will, der muss nicht unbedingt im legendären Santa-Fu-Knast am Hasenberge in Hamburg-Fuhlsbüttel einfahren. Eine Landpartie zur idyllischen Justizvollzugsanstalt Glasmoor in Norderstedt geht auch. Wo Santa Fu draufsteht, ist manchmal nur Glasmoor drin, produziert wird an beiden Standorten.

In dem Knast inmitten von Wiesen und Feldern, um den herum es gerne mal kräftig nach Kuhdung riecht, sind etwa 187 Strafgefangene inhaftiert, sagt der Anstaltsleiter Karl-Heinz Becker, einmal das Strafgesetzbuch rauf und runter, allerdings nicht die ganz schweren Jungs, sogar etwa 40 Häftlinge, die nur kurz einsitzen, weil sie ein Knöllchen wegen Falschparkens nicht bezahlt haben.

Wer in Glasmoor landet, der ist mit einem Bein schon wieder auf dem richtigen Weg. Etwa 40 Gefangene sind Freigänger, das heißt, sie arbeiten tagsüber wie unbescholtene Bürger und müssen nur abends brav wieder in der Haftanstalt aufschlagen und die Nacht verbringen. Außer im Urlaub, den sich die Gefangenen nehmen dürfen. Entlassungsvorbereitung nennt sich das Konzept. Jobs bekommen die Gefangenen zum Beispiel in Fortbildungsangeboten oder Qualifizierungskursen, aber auch bei Unternehmen, die mit dem Knast in Glasmoor schon lange zusammenarbeiten.

Um den Freigang zu erreichen, muss sich der Häftling erst einmal in der Haftanstalt an einen geregelten Arbeitsalltag gewöhnen und beweisen, dass er ihn meistern kann. Und dabei kommt das "Santa Fu"-Projekt ins Spiel. In Glasmoor, in Santa Fu und in anderen Haftanstalten werden vornehmlich Auftragsarbeiten erledigt - mehr oder weniger stupide. In Glasmoor werden zum Beispiel gerade Bonbons auf Postkarten geklebt, eine Postwurfsendung eines Unternehmens. Die Hamburger Justizbehörde entschied sich 2006 für einen neuen Weg: Eigene Produkte aus der Knastproduktion, die dem Gefangenen die Chance auf Qualifizierung und Anerkennung bieten und deren Umsatz zu einem Teil dem Weißen Ring, der Hilfeorganisation für Verbrechensopfer, gespendet wird. Resozialisierung und Wiedergutmachung in einem. Karl-Heinz Becker: "Als das Projekt 2006 der Presse vorgestellt wurde, war die Resonanz unfassbar." Kein Fernsehsender, keine Radiostation, keine Zeitung, die nicht schon berichtet hätte, aus der Produktion in Santa Fu ebenso wie aus der im Knast Glasmoor. Und auch die internationalen Medien erliegen dem ungewöhnlichen Modell. Karl-Heinz Becker und seine Jungs waren zum Beispiel schon einmal die Stars einer zwanzigminütigen Dokumentation des japanischen Fernsehens, die im Land der aufgehenden Sonne zur besten Sendezeit lief.

Wer Teil der Glasmoorer "Santa Fu"-Produktion werden will, der muss die Kriterien der "Positivenauslese" erfüllen, nach denen Karl-Heinz Becker aussucht. "Das sind Leute, die bei uns durch Zuverlässigkeit auffallen oder die eine entsprechende Befähigung für die Arbeit mitbringen", sagt Becker. Wer geeignet erscheint, darf dann jeden Morgen in dem kleinen Produktionsraum hinter den Wohngebäuden des Knastes antreten.

Aber pünktlich. "Ich bin ein absoluter Pünktlichkeitsfanatiker", sagt Wolfgang Mücke (54). Der Justizvollzugsbeamte ist der Leiter der Produktion. Der Mann kennt die JVA Glasmoor in- und auswendig. Seit 26 Jahren schiebt er hier Dienst. Er weiß, wie Straftäter ticken. Wenn einer es mit der Zeit nicht so genau nimmt oder sich bei der Arbeit zu schusselig anstellt, dann kann er schon mal laut werden. Mücke ist prädestiniert für den Job. Nicht nur wegen seiner Disziplin. In einem früheren Leben hat er mal Textilkaufmann gelernt. "Es ist schön, dass ich jetzt alle meine Fähigkeiten in meinem Beruf als Vollzugsbeamter ausleben kann", sagt Mücke.

Die T-Shirts aus der "Santa Fu"-Kollektion werden im Glasmoor mit den Slogans bedruckt. Außerdem werden hier die kleinen Buttons gefertigt, Sprüche wie "Sauber bleiben!" fürs Revers. Wenn ein Kunde im Internetshop die "heiße Ware aus dem Knast" ( www.santafushop.de ) bestellt, wird der Versand in Glasmoor bearbeitet. "Unsere Kollektion ist nicht Kult, sie ist Marke geworden", sagt der Textil-Experte Mücke. Und diese Marke sei so gut, da würden sich "die Boutiquen auf dem Jungfernstieg die Finger danach lecken", sagt Mücke.

Heute stehen im Produktionsraum Glasmoor vier Herren: Zwei bedrucken T-Shirts mit den Slogans "Lebenslänglich" und "Unschuldig", einer faltet die Shirts mit Akribie und näht sie in Versandtüten ein, ein weiterer Straftäter flitzt routiniert von Tisch zu Tisch und verpackt bestellte Ware in Versandkartons.

"Die Arbeit macht den Männern Spaß, sie ist sinnvoller als Tütenkleben, und außerdem bedeutet es den Männern etwas, Teil des Erfolgs zu sein", sagt Wolfgang Mücke. Später, im echten Leben, hoffen sie, dass ein Teil des guten Rufs des Projektes an ihnen kleben bleibt und im Bewerbungsgespräch oder anderen Situationen weiter hilft. Für das Bedrucken, Verpacken und Versenden werden die Männer mit der Lohnstufe zwei bedacht, 8,50 Euro pro Tag. Wolfgang Mücke sagt, das reicht zumindest für eine Tüte Bontje extra, die die Gefangenen ihren Kindern kaufen können. Immerhin.

Die Produktion in Glasmoor arbeitet mit der größtmöglichen Fluktuation, was die Mitarbeiter angeht. Zwischen ein paar Wochen und bis zu sechs Monate ist ein Häftling dabei. Danach sollte das Ziel Freigang erreicht sein. Und die Einsicht, dass Arbeit Spaß machen kann. Und Sauber bleiben auch.