Am Sonntag konnte nach einem halben Jahr Zwangspause wegen eines Dachschadens der erste Gottesdienst am Schmuggelstieg gefeiert werden.

Norderstedt. Für viele Mitglieder der katholischen Norderstedter St.-Annen-Kirchengemeinde am Schmuggelstieg war gestern schon Bescherung: Zum ersten Mal seit einem halben Jahr predigte Pastor Rudolf Kemme wieder in der Kirche. Wie geplant, konnten die Dacharbeiten am Kirchengebäude kurz vor Weihnachten abgeschlossen werden. Große Freude herrscht bei der Kirchenleitung dennoch nicht: Die Kirchengemeinde musste sich hoch verschulden, um das Gebäude sanieren zu können. Rund 150 000 Euro bleiben ungedeckt. "Wir müssen große Anstrengungen unternehmen, um dieses Geld aufzubringen", sagt Pastor Kemme. Das Erzbistum Hamburg und das Bonifatius-Werk der Deutschen Katholiken können die fehlende Summe auch nicht nach Norderstedt überweisen.

Das Dilemma begann im Sommer. Eigentlich sollte das Dach damals mit Kupfer gedeckt werden, weil es an einigen Stellen durchtropfte. Aber als die Handwerker genauer hinsahen, entdeckten sie, dass die Wassertropfen nur der geringere Teil des Übels waren: An mindestens zwei Auflagestellen des Nagelbinders war das Holz durchgerottet. Es bestand akute Einsturzgefahr. Die Kirche wurde sofort für die Gottesdienste und sonstige Aktivitäten gesperrt, die gesamte Dachkonstruktion der Apsis (gewölbte Altar-Nische) mussteerneuert, fast das gesamte Hauptdach der Kirche musste abgetragen werden. Möglicherweise war beim Bau der Kirche im Jahre 1951 minderwertiges Material verwendet worden.

Für die Kirchengemeinde St. Annen kam diese Nachricht zu völlig unpassender Zeit: Erst kurz vorher waren die Restaurierungsarbeiten am Gemeindehaus beendet worden. Unter erheblichem finanziellen Aufwand (350 000 Euro) musste das Gebäude generalüberholt werden. Immerhin: Weil die Arbeiten abgeschlossen waren, konnten die Gottesdienste von der Kirche in das benachbarte Gemeindehaus verlagert werden. Ein halbes Jahr lang hieß es also Stühlerücken: Unter sehr beengten Verhältnissen versammelten sich die Gemeindemitglieder zu ihren Messen, während nebenan an der großen Kirche eifrig gebaut wurde. Rudolf Kemme: "Es war sehr eng, aber es ging so einigermaßen."

Gestern konnten die Gottesdienstbesucher erstmals sehen, was in den vergangenen Monaten so alles gemacht wurde. Der Kirchenraum erscheint viel heller als vorher. Das liegt einerseits an der neuen Farbe, andererseits aber auch an der fehlenden Zwischendecke, die aus Holz war und das Kirchenschiff dadurch erheblich verdunkelte. Die Apsis konnte dadurch von innen erhöht, von außen aber abgesenkt werden.

280 000 Euro konnte die Gemeinde selbst aufbringen, 70 000 Euro flossen vom Bonifatius-Werk. 150 000 Euro Schulden müssen in den nächsten Monaten oder Jahren irgendwie aufgebracht und abgedeckt werden: Die Kirchengemeinde ist auf Spenden angewiesen. Durch die sonntägliche Kollekte alleine ist das Geld vermutlich kaum aufzubringen: Wenn die Kirche mit 350 Besuchern besetzt ist, kommen etwa 400 Euro zusammen. Insgesamt hat die St.-Annen-Gemeinde etwa 4000 Mitglieder.

Vom Erzbistum jedenfalls erwartet die Gemeindeleitung kein Geld mehr. Weil die St.-Annen-Gemeinde mittelfristig mit der Kirchengemeinde Heilige Familie in Langenhorn zusammengelegt werden soll, wird kein Geld mehr in das Kirchenhaus am Schmuggelstieg fließen. Der Zusammenschluss soll kommen, wenn Pastor Rudolf Kemme in den Ruhestand geht. Jetzt ist er 65 Jahre alt, aber er will, kann und darf offiziell noch einige Jahre arbeiten.