Er hat nicht nur Erfolg im Beruf, er hilft auch einer jüdischen Familie - und gefährdet dabei sein eigenes Leben.

Norderstedt. Er war vielmehr als ein Brot- und Kuchenbäcker: Heinrich Warnke half, wo er konnte. In seinem dreirädrigen Tempo fuhr er schwangere Frauen ins Krankenhaus. Und wenn der Transporter vom Ausliefern des Brotes noch nicht zurück war, rief er: "Deern, halt noch ein wenig an!" Die Geschichte vom hilfsbereiten Bäckermeister aus Garstedt steht in "Wir und Norderstedt" - der Heimatbund Norderstedt hat die 13. Auflage des Jahrbuches herausgebracht.

1892 wurde Warnke in Garstedt geboren. 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger. Als er nach der Gefangenschaft 1919 zurückkehrte, arbeitete er in unterschiedlichen Berufen. 1927 bestand er die Meisterprüfung als Bäcker und gründete eine Firma auf dem elterlichen Grundstück, auf dem sein Vater bis dahin eine Tischlerei betrieben hatte - die Dampfbäckerei und Konditorei Warnke war geboren. Die allmählich verfallenden Gebäude stehen noch heute am Richtweg 22. Den Namen verdankt der Betrieb dem Ofen: Die Hitze wurde nicht direkt zum Teig geführt, sie erzeugte Dampf in einem Kessel, der dann zum Backofen geleitet wurde. So konnten Brot und Kuchen ohne Kontakt zu Rauchgasen gebacken werden. Die Qualität stimmte, und schon bald beschäftigte Warnke zwölf Mitarbeiter in der Backstube und im angeschlossenen Laden.

Dort stand auch seine Frau Rosa, geborene Dost, hinterm Tresen. 1915 hatten die beiden geheiratet, aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor. Rosa Warnke war eine kleine, eher füllige, aber sehr freundliche Geschäftsfrau, die ihr bis ins Alter dunkle Haar straff zurückgekämmt trug. Sie verteilte Bonbons aus großen Gläsern an die Kinder und packte alles, was es im Laden gab, auch Streichhölzer und andere bäckereifremde Artikel, in braune Papiertüten, die sie sorgsam abwog. Neben der Waage stand die große, mit silbrigen Metallornamenten verzierte Kasse. Nachdem die Verkäuferinnen die Kurbel gedreht hatten, gab sie die Geldschublade mit einem "Ping" frei.

Um 3 Uhr begann der Betrieb in der Backstube. Die Lehrlinge und jungen Gesellen trugen die fertig gebackenen Lebensmittel am frühen Morgen aus, bei jedem Wetter barfuß in Holzpantinen, in Karren, die sie zu Fuß zogen, später auf Fahrrädern. Wenn Warnke fertig war, schob er die Teigbleche, die ihm die Bauern und Nachbarn brachten, in den Ofen. So nutzte er die Restwärme.

Zu den festen Kunden zählten die Krankenhäuser Ochsenzoll und Heidberg. Um die Kliniken zu beliefern, schaffte Warnke den dreirädrigen Kleinlaster Tempo an. Angeschafft hatten sich der Bäckermeister und seine Frau auch ein Telefon - das erste weit und breit. Wer telefonieren wollte, ging in die Bäckerei, wo nur die Chefin das Telefon bediente. Ging ein Gespräch im Laden ein, schickte sie einen Läufer los, um den Teilnehmer zu benachrichtigen.

In den Ferien nahmen die Warnkes Pflegekinder auf, von denen einige eine Bäckerlehre absolvierten. Als einer der ersten hatte der Bäckermeister ein Auto. Er lud die Nachbarn zu Tagestouren ein, Kranke kutschierte er in die Lüneburger Heide zu "Schäfer Ast", der die Patienten mit seiner "Haartherapie", natürlich auf Naturheilbasis, heilte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Lebensmittel knapp. Wenn es in der Bäckerei eine Extra-Portion Maismehl gab, standen die Hungernden Schlange, selbst Hamburger reihten sich ein. Warnke verkündete lautstark: "Leute, ihr bekommt alles, was ich habe. Aber erst kommen meine Kunden." Dann schritt er die Reihe ab und nahm seine Nachbarn zur Seite.

Seine Töchter wollten den Betrieb nicht übernehmen. Nachdem Rosa Warnke im Februar 1972 gestorben war, wurde die Bäckerei 1973 geschlossen. Warnke starb mit 85 Jahren im März 1977. Als die Familie anschließend das Haus ausräumte, fand sie Papiere der christlich-jüdischen Familie Strauß aus dem Langen Kamp. Sie war 1949 in die USA ausgewandert, die Warnkes hatten nicht nur die Dokumente aufbewahrt, sie unterstützten die verfolgten Nachbarn auch. Obwohl die Lebensmittelzuteilung gekürzt worden war, ließ das Bäcker-Paar der jüdischen Familie "im Dunkeln und hintenrum" Brot zukommen - und gefährdete dabei das eigene Leben. Die Warnkes hatten nicht nur beruflichen Erfolg, sondern auch ein großes Herz.

Im neuen Jahrbuch, das für 9,50 Euro im Buchhandel erhältlich ist, werden außerdem die Geschichten der Glashütter Thomaskirche und der katholischen Kirche St. Hedwig sowie der 700. Geburtstag von Tangstedt geschildert.