Ein italienisches Ehepaar hat in seiner Wohnung einen sensationellen Fund gemacht. In der Absicht, eine Wand zu renovieren, stießen Herr und Frau de Paolis aus Civitaveccia schon vor einigen Jahrzehnten auf ein Gemälde, das Experten nun der Raffael-Schule zuordnen. Befragt, ob dieser Fund denn vorher kein Interesse bei anderen ausgelöst habe, antwortet der Ehemann:

de Paolis: Doch, und wie sich die Leute dafür interessiert haben! Ich habe zuerst einen Restaurator und einen Maler aus der Stadt gefragt. Die haben gesagt: Das ist etwas Besonderes, aber was genau, wer weiß das schon. Die nächsten Jahre hatte ich dann keine Ruhe mehr. Alle zwei Monate stand einer vor der Tür, der sich Experte nannte.

Und hat einer von denen erkannt, von wem die Malerei stammt?

de Paolis: Nein, alle haben das Gleiche gemacht: Zuerst kratzten sie was vom Putz ab, bis zum Beispiel ein Auge zum Vorschein kam. Dann sagten sie: Das ist ein Auge. Und überhaupt sei das Ganze hier eine Sensation. Dann sind sie wieder gegangen.

Und Sie haben weiter ein unbekanntes Bild angestarrt. de Paolis: Nein, ich hatte dann irgendwann die Schnauze voll und habe Gipsplatten vor das mittlerweile zwei Quadratmeter große Bild gebaut. Dann konnten wir wieder besser schlafen.

Dass dem Ehepaar de Paolis der freigelegte Schatz in den eigenen vier Wänden unheimlich war und diesen verbarg, ist nachvollziehbar. Doch diese Geschichte hat für mich auch einen adventlichen Gehalt. Mancher hält jahrzehntelang Schätze in sich verborgen, von denen er noch gar nichts weiß, vielleicht auch gar nichts wissen will. Und die externen Experten, die mal kurzfristig herumkratzen und sich irren, kennen wir auch. Doch im Advent soll von den Schätzen die Rede sein, die verborgen ruhen und dazu gedacht sind, gehoben zu werden. Alle Beteiligten der biblischen Erzählungen, die in die Geburt Jesu verwickelt werden, entdecken Entscheidendes bei sich: Maria das göttliche Kind, Josef, dass er eine außergewöhnliche Lebensgefährtin und einen Engel bei sich hat, die Weisen, dass sich ihre lange Reise lohnt, die Hirten, dass sie mehr wert sind, als alle dachten. Wer dem göttlichen Kind heute begegnet, stößt auf die Schätze auch in sich selbst. Die Ankunft Gottes ermutigt dazu, die eigenen Schätze aufzusuchen und sie von dem Putz zu befreien, unter dem sie verborgen sind. Und wer einen anderen Menschen unter der Fragestellung ansieht, welchen Schatz der wohl in sich haben mag, gewinnt ein anderes Verhältnis zu seinem Nächsten. Im Advent will Gott uns begegnen und uns helfen, dass zur Geltung kommen darf, was wir eigentlich in uns tragen. Und anders als in Civitaveccia wird wohl der besser schlafen können, der seinen Schatz nicht hinter einer Wand verbirgt. Erich Kästner fand dafür diese Worte:

Es gibt Werte, die kann keiner zählen, selbst, wenn er die Wurzel zieht. Und kein Dieb kann diesen Reichtum stehlen. Die Geduld ist so ein Schatz, oder der Humor und auch die Güte und das ganze übrige Gemüte. Denn im Herzen ist viel Platz. Und es ist wie eine Wundertüte. Arm ist nur, wer ganz vergißt, welchen Reichtum das Gefühl verspricht. Keiner blickt dir hinter das Gesicht. Keiner weiß, wie reich du bist...(und du weißt es manchmal selber nicht.)

Eine gesegnete Adventszeit und eine erfolgreiche Schatzsuche wünsche ich Ihnen.