Die Adventszeit galt lange Zeit als besinnliche, stille, duftende und erwartungsvolle Zeit. Die Tage bis Weihnachten hatten einen eigenen Rhythmus und wirkten irgendwie verzaubert.

Wie anders werden sie heute wahrgenommen: Für viele Menschen, mit denen ich ins Gespräch komme, bedeutet die Adventszeit Hektik, Stress, Termindruck. Es müssen Geschenke gekauft werden, Adventskalender gefertigt, Weihnachtskarten oder Mails verschickt werden, Kekse gebacken und vieles mehr. Die Zeit, die das alles braucht, ist größer als das zur Verfügung stehende Kontingent.

Wer die Adventszeit so erlebt, hat keine Chance, sich auf Weihnachten vorzubereiten. Den erwischt es sozusagen eiskalt. Plötzlich ist Heiligabend.

Dabei ist die Adventszeit in ihrem Ursprung eine Vorbereitungszeit. Sie will einladen, sich auf einen anderen Rhythmus einzulassen. Die Dinge anders wahrzunehmen und das Wunderbare, das das Leben Tag täglich durchzieht, zu sehen. Das geht auch heute noch und es braucht nicht viel: Man braucht nur ein paarmal am Tag inne zu halten und wachsam um sich herum zu sehen. Mit offenen Augen das erkennen, was schon längst da ist: Die Schönheit des Morgens, wenn der frostige Raureif alles bedeckt. Das duftende Gebäck, das die Hektik des Herold Centers betören kann. Die schöne Dekoration in den Häuser und auf den Straßen und das Lächeln, das von Gesicht zu Gesicht wandert, wenn Menschen bewusst wird, wie schön diese Zeit ist. Es reicht, solche kleinen Momente bewusst zu erleben. Man braucht gar keine großen Auszeiten, um der Seele endlich Raum zu geben. Die kleinen sind es, die den Blick verändern. Wichtig ist, ganz in der Gegenwart zu sein.

Öffnen Sie Ihre Augen und sehen Sie. Nehmen Sie einfach nur wahr. Vielleicht sehen Sie sogar einen der Engel, die in der Adventszeit besonders im Einsatz sind. Die kann man nämlich wirklich sehen. Aber dafür müssen schon ein bisschen das Sehen üben.

Alexandra C. Hector ist Pastorin an der Emmaus-Kirchengemeinde Norderstedt.