Die Wirtschaftskrise schlägt in Norderstedt aber nicht so stark zu wie befürchtet. Rekord-Zahlen aus Rezessions-Jahr 2003 in weiter Ferne.

Norderstedt. Die Zahl der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenzen in Norderstedt und im Kreis Segeberg steigt. "Allerdings nicht so stark, wie man es angesichts der Krise erwarten könnte", sagt Timm Sievers, der am Amtsgericht Norderstedt die Insolvenzen bearbeitet. Im Zeitraum zwischen dem 1. Januar und dem 30. September 2009 haben sich 153 Betriebe zahlungsunfähig gemeldet. Bei den Verbraucherinsolvenzen liegt die Fallzahl bei 181, aufgeteilt in 94 Männer und 87 Frauen. Im Vorjahr wurden dem Amtsgericht Norderstedt 124 Unternehmens- und 174 Verbraucherinsolvenzen gemeldet.

"Momentan sind es immer die gleichen Branchen, die insolvent gehen", sagt Sievers. Das seien kleine Speditionen, die keine Fuhren mehr bekommen. Oder Betriebe aus der Baubranche, denen die Aufträge fehlen. Insgesamt sei die Lage in Norderstedt und dem Kreis Segeberg aber noch nicht so schlecht wie vor sechs Jahren. 2003 war die Gesamtzahl der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenzen auf 511 gestiegen - ein Rekord. Wer sich die Listen der Insolvenzanträge anschaut, findet auch Betriebe, die man dort nicht erwartet hat. Etwa den modernen Druckdienstleister Print 64. Der Betrieb mit 61 Mitarbeitern am Gutenbergring existiert seit über 40 Jahren und druckt hochwertige Broschüren, Geschäftsberichte und andere Printprodukte im Offset-, Sieb- oder Digitaldruck. Ein riesiges Banner auf der Wiese vor dem Betrieb rühmt die Belegschaft als "Mannschaft des Jahres". 2008 gewannen die Norderstedter nämlich nicht nur den "Druck & Medien Award" als "Veredler des Jahres", sondern auch den Innovationspreis der Deutschen Druckindustrie als Werbedrucker des Jahres. Nun ist der Betrieb insolvent, weil, wie Geschäftsführer Torsten Tobias Bastian gegenüber dem Branchenmagazin "Druck&Medien" sagte, der Rohertragsverfall im ersten Halbjahr 2009 zu stark war. Obwohl es im gleichen Zeitraum sogar eine leichte Umsatzsteigerung gegeben hatte, blieb laut Bastian zu wenig übrig. Die Insolvenzverwaltung hat eine Norderstedter Kanzlei übernommen. "Für den Betrieb gibt es viele Interessenten, wir sind sehr zuversichtlich, einen Investor zu finden", sagt der Rechtsanwalt Klaus Eschenburg. Dass dieser die 61 Arbeitplätze erhalten soll, sei das erklärte Ziel, Gewissheit aber gebe es keine.

Ein Indikator für die steigende Zahl der Privatinsolvenzen ist der Ansturm auf die Sozial- und Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes an der Ochsenzoller Straße. Leiterin Maria Bergs spricht von einem Beratungsbedarf, der nicht mehr gedeckt werden kann. Die Wartelisten sind lang. Unterschieden wird zwischen Menschen, die bereits in der Insolvenz sind und jenen, denen der soziale Absturz unmittelbar bevorsteht. "Die haben Priorität. Wenn jemand kurz vor dem Verlust der Wohnung steht, weil er kein Geld mehr verdient, dann müssen wir sofort handeln. Jemand, der bereits ein Verfahren laufen hat, muss sich dann gedulden", sagt die Diplom-Sozialarbeiterin. Manchmal könnten das vier bis sechs Monate Wartezeit sein. Viele Leute kämen auch in die offene Sprechstunde (donnerstags, 16 bis 18 Uhr), weil sie den Jobverlust befürchten. "Sie möchten sich im Vorwege informieren, welche Möglichkeiten es gibt", sagt Bergs. Pro Jahr werden in der Beratungsstelle etwa 1000 Menschen beraten.