Beim Frontalzusammenstoß zweier Triebwagen am 29. September sterben sechs Menschen, 70 werden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Über 300 Lebensretter sind im Einsatz.

Am 29. September 1994 kam es in Bad Bramstedt exakt um 15.26 Uhr zum Zusammenstoß zweier Triebwagen der AKN. Sechs Menschen sterben, 70 werden zum Teil schwer verletzt. Das schwerste Zugunglück in der damals 110-jährigen Geschichte der AKN. Die beiden Wagen bohrten sich auf dem Bahnübergang Husdahler Weg mit etwa 60 Stundenkilometer ineinander. Grund für den Unfall war ein Fehler des Fahrers, der aus Richtung Bad Bramstedt kam und zu früh losgefahren war. NZ-Redakteur Herbert Lau berichtet zwei Tage später am 1. Oktober über die Lage und die Geschichten der Überlebenden.

In Bad Bramstedt wehen die Fahnen auf halbmast. Eine ganze Stadt trauert um die sechs Toten, die nach dem Frontalzusammenstoß zweier AKN-Triebwagen zu beklagen sind.

Rund 15 Stunden nach dem Unglück wurden die Triebwagen mit Hilfe eines 200-Tonnen-Kranes in den Bahnhof von Bad Bramstedt geschleppt. Unter einer weißen Plastikplane, die die Anstoßstellen verhüllt, versuchten die Spezialkräfte die auf zwei Meter zusammengepressten Fahrerstände auseinanderzutrennen. Es wurde hier noch ein weiteres Todesopfer vermutet, was sich zum Glück aber nicht bestätigte.

Die Feuerwehren von Bad Bramstedt, Kaltenkirchen und Norderstedt, das THW, die Berufsfeuerwehr aus Hamburg mit einem Großraumrettungsbus und Rüstzug, 29 Rettungswagen, 20 Notärzte, insgesamt 300 Rettungskräfte und unzählige Freiwillige halfen an der Unglücksstelle.

Von großer Tragik ist das Bahnunglück für eine Familie aus Wiemersdorf. Der 37-jährige Fahrer eines der Triebwagen hatte am Unglückstag seine 14-jährige Tochter im Fahrerstand mitfahren lassen - beide starben in den Trümmern der Züge. Die Kollegen der Bramstedter Wehr mussten einen Kameraden tot aus den verkeilten Wagen bergen: Ein 16-jähriger Lehrling der Jugendfeuerwehr Bad Bramstedt war auf dem Weg nach Hause von der Berufsschule Neumünster. Sein Vater war an die Unglücksstelle geeilt, hatte immer wieder gerufen: "Habt ihr meinen Jungen gesehen, der muss in diesem Zug gesessen haben - ist er unter den Toten?" Die Retter mussten den Mann zunächst vertrösten und wegführen, später bewahrheitete sich die Befürchtung des Vaters.

Der 19-jährige Björn Steen aus Bad Bramstedt hat das Unglück überlebt. Er kam von einem Seminar in Plön, saß im vordersten Wagen, hatte sich bewusst etwas weiter in die Mitte gesetzt, um einem Mädchen nicht zu begegnen, die "furchtbar sabbelig und nervig ist". Dieser Umstand hat ihn vor schweren Folgen geschützt. Björn hat das Unglück geahnt: "Ich habe mich gewundert, dass der Zug nicht, wie sonst, in Wiemersdorf hielt. Dann sah ich in der Kurve den anderen Zug von Bad Bramstedt her entgegenkommen - die Wagen waren so schnell, reagieren konnte man nicht mehr, dann hat es furchtbar gekracht." Über zwei Sitzbänke wurde er gegen eine gläserne Trennwand geschleudert, konnte sich aufrappeln und hat dann zuerst mit einem älteren Fahrgast zwei Schwerverletzte aus dem Zug geschafft und später mit zwei Polizeibeamten zusammen weitere Eingeklemmte befreit. Dann waren seine Kräfte erschöpft: "Ich habe geblutet und bin irgendwo zu Boden gegangen."

NZ-Redakteur Günther Hormann geht der Frage nach, wie sicher die AKN ist und ob die Fahrgäste Angst haben müssen.

In Bad Bramstedt herrscht nach dem schrecklichen Zugunglück am Donnerstag Trauer, Entsetzen und Verzweiflung. Für die mehr als 200 000 Menschen, die täglich mit der AKN fahren, drängt sich eine Frage auf: Wie sicher ist die AKN?

Die Polizei hat eine Ermittlungsgruppe gebildet, die für die Staatsanwaltschaft Kiel die genauen Umstände der AKN-Katastrophe klären soll. Gestern dauerte die Auswertung des Sprechfunkverkehrs und der Fahrberichte noch an. Geprüft werden muss vor allem, warum der in Richtung Neumünster fahrende Triebwagen den Bahnhof Bad Bramstedt zu früh verlassen hat. Der Triebwagenfahrer, der seit vielen Jahren bei der AKN tätig war und als erfahren galt, hätte auf den entgegenkommenden Zug warten müssen. Er gehört ebenso wie sein Kollege aus dem anderen Zug zu den Todesopfern.

Die Reaktion der AKN: Im Investitionsprogramm der AKN ist für die Strecke ein automatisches Bremssystem geplant - zu spät für die Opfer von Bad Bramstedt. "Wir wollen erreichen, dass menschliches Versagen nicht mehr möglich ist", sagt AKN-Sprecher Joachim Häger.