Die Rentnerin verstreut Futter für 100 Tiere. Sie fordert Taubenschläge, um die Population zu kontrollieren. Die Stadt will die Tiere verjagen.

Norderstedt. Sie hat ein Herz für Tauben, holt die beiden Säcke vom Gepäckträger ihres Fahrrades und verstreut die Körner auf der Wiese hinter Karstadt. Knapp 100 Tauben fliegen heran, die Fläche ist der Norderstedter Hauptsitz der Vögel. "Wenn sie nicht gefüttert werden, sterben sie", sagt Ursula S., die ihren vollen Namen nicht sagen will. Es gebe leider viele Menschen, die die Vögel hassen, sie am liebsten vertreiben oder sogar töten würden. "Dabei gehören sie uns, schon immer lebten die Stadttauben mit den Menschen zusammen", sagt die Norderstedterin. Sie hat Verständnis dafür, dass der Kot die Menschen stört und sie sich von den Tauben belästigt fühlen.

"Man wird sie auf Dauer aber nicht los. Man kann sie zwar von einem Platz vertreiben, doch dann suchen sie sich einen anderen", sagt die Rentnerin. Besser sei es, sich mit den fliegenden Stadtbewohnern zu arrangieren. Und dafür gebe es Lösungen: betreute Taubenschläge oder Taubentürme. "So bleibt der Kot drinnen, die Population lässt sich kontrollieren, und durch das richtige Futter bleiben die Tiere gesund", sagt Rudolf Reichert von der Bundesarbeitsgruppe Stadttauben. Die Initiative hat ihr Konzept einer tierschutzgerechten Taubenhaltung schon in knapp 50 deutschen Städten durchgesetzt. Großstädte wie München sind ebenso dabei wie Kaiserslautern oder Metzingen mit 26 000 Einwohnern. Zwischen 6000 und 7000 Euro koste ein artgerechter Taubenschlag aus Holz. Die Tiere werden, so Reichert, überwiegend von ehrenamtlichen Helfern betreut. Sie sind auch für die Geburtenkontrolle zuständig, indem sie die Eier aus dem Schlag nehmen und durch detailgetreue Imitate ersetzen. "So lässt sich eine gesunde und einwohnergerechte Taubengemeinschaft erreichen", sagt Reichert. Und Ursula S. ergänzt: Die Wiese hinter Karstadt solle ja bebaut werden. "Es wäre doch schön, wenn da ein Haus für die Tauben mitgebaut wird."

Für die Stadt ist das momentan kein Thema: "Von einer Taubenplage kann nicht die Rede sein. Die Situation in Norderstedt ist nicht so dramatisch, dass wir über solche Maßnahmen diskutieren müssen", sagt Baudezernent Thomas Bosse, der den betreuten Taubenwohnungen grundsätzlich aber positiv gegenüber steht. Zurzeit gebe es nur Beschwerden über Taubenkot, die sich auf einzelne Punkte in der Stadt beziehen. Und da arbeitet die Stadt nach dem Prinzip der Vergrämung. Die Nist- und Sitzplätze werden mit Draht oder anderen Hindernissen unzugänglich gemacht, die Tauben vertrieben.

Ein Fütterungsverbot gibt es nicht. Verbote garantierten noch nicht, dass sich die Menschen daran halten, sagt Bosse. Er verweist auf eine Vielzahl von Beispielen in anderen Rechtsgebieten, in denen es trotz Verboten und Sanktionen zu wiederholten Verstößen einzelner gekommen sei.