Die Hunde vom ASB in Wahlstedt sind die einzigen im Norden, die für die Suche auf Wasser ausgebildet sind.

Kreis Segeberg. Wenn Herrchen Einsatzjacke und -hose anzieht, weiß Mika: Jetzt geht es wieder los, seine Spürnase ist gefragt. Der schwarze Labrador - knapp 40 Kilo schwer und reife zehn Jahre alt - hat den Riecher, den Herrchen Dirk Fellechner und seine Kollegen von der Rettungshundestaffel des Wahlstedter Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) brauchen. Mika kann Leben wittern. Seit wenigen Monaten ist er sogar auf dem Wasser im Einsatz: Das sechsbeinige Team hat die Ausbildung für die "Gewässersuche" absolviert. Drei weitere ASB-Teams sollen demnächst hinzukommen. "Das ist einmalig in der Region", sagt Staffel-Chef Fellechner. Die Norderstedter Zeitung hat den ASB bei Übungen begleitet.

Heute muss Susanne Martensen zum ersten Mal ins Wasser. Die Segebergerin zwängt sich in die Wathose, hockt sich ins Schilf an einem Seitenarm der Lübecker Bucht und wartet. Hauptsache, Mika hat sie nicht gesehen. Er soll die ASB-Helferin finden und zwar mit seiner großen Nase. Ein paar 100 Meter entfernt sind Hund und Fellechner auf das Rettungsboot geklettert, das ein Hersteller für Hundefutter gesponsert hat. "P. Gree" heißt das mit GPS und Sonar ausgerüstete Boot, das im weiten Bogen an den Frachtern des Lübecker Hafens vorbei Kurs auf den Schilfgürtel am Ufer im Ortsteil Schlutup nimmt. Mika weiß: Hier irgendwo liegt die "Vermisste". Und Fellechner weiß: Im Ernstfall hätte er ohne Hund und Boot kaum eine Chance, einen hilflosen Menschen in dem morastigen Dickicht zu finden.

Der Wind erleichtert Mika die Arbeit: Er bläst vom Ufer aufs Wasser, als das Boot langsam in einem Abstand von drei Metern am Schilf vorbeifährt. Der Hund schnuppert hochkonzentriert. Angeleint und ausgerüstet mit leuchtend roter Hunde-Schwimmweste steht er am Bug von "P. Gree" und hält die Nase in den Wind. Plötzlich eine leichte Kopfbewegung, dann fixiert der Labrador im Schilf einen Punkt und ist außer sich: Er hat einen Menschen gewittert. Mika tobt und bellt. Nur mit Mühe kann Fellechner seinen schwarzen Teamkollegen davon abhalten, ins Wasser zu springen. Das Beste kommt zum Schluss: Die Belohnung. Susanne Martensen taucht aus dem Schilf auf, lobt den Retter überschwänglich und spielt mit ihm. Ohne dieses Ritual würde Mika nie wieder suchen. "Die Suche mit Hund funktioniert nur mit Belohnung", sagt Staffelchef Fellechner.

Der Hund kann noch mehr. Mika hätte Susanne Martensen auch dann aufgespürt, wenn sie komplett unter der Wasseroberfläche verschwunden wäre. Die Suchhunde sind auf menschliche Moleküle fixiert, die aus der Tiefe aufsteigen. "Das kann bis zu einer Wassertiefe von 30 Metern funktionieren", sagt Fellechner.

"Wir wollen Leben finden", sagt Fellechner. Er weiß aber auch, wie wichtig es für Angehörige ist, einen Vermissten zu finden, der in einem See verschwunden ist und nicht mehr am Leben sein kann. Auch dabei hilft Mika. 24 bis 48 Stunden nach dem Versinken gibt der Körper noch Moleküle frei, die für den Hund nach "Leben" riechen. Hat der Labrador angeschlagen, notiert Fellechner den Ort per GPS für die Bergungstaucher.

Doch wie kommen Hunde, Herrchen und Frauchen schnell an den Unglücksort? In Wahlstedt stehen ihre Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn bereit, wenn Menschen an Gewässern, in Trümmern oder Wäldern vermisst werden. Oder die Retter fliegen. Szenenwechsel: Auf dem kleinen Landeplatz in Sommerland bei Elmshorn donnert die Luft. Hubschrauberpilot Torben Koopmann hat die Rotoren der AS 350 angeworfen. Der Wind bläst so stark, dass die Ohren der ASB-Hunde flattern. Die Grashalme liegen flach. Über allem liegt ein gewaltiger Motorenlärm.

Jetzt kommt es darauf an: Haben die Hunde den Mumm, in die Höllenmaschine zu steigen, und überstehen sie den Trip durch die Lüfte, ohne tierische Flugangst zu bekommen?

15 Teams des ASB gehen nach und nach mit Koopmann in die Luft. Das Einsteigen war manchem Hund sichtlich unheimlich, da mussten Herrchen und Frauchen den Liebling hineintragen. Doch im Flieger ging alles glatt, alle Tiere blieben cool. Die Spürnasen Mika, Bolle und Co. haben ihre Flugtauglichkeit bewiesen. Nur mancher Hundeführer klagte nach der Landung über ein flaues Gefühl im Magen. Doch darüber kann jeder im Ernstfall hinweg sehen.