Seit drei Monaten schlägt sich Suzann Ringler aus Tangstedt in der Einöde des US-Bundesstaates Wisconsin durch. Die Norderstedter Zeitung veröffentlicht regelmäßig Auszüge aus ihrem Tagebuch. (3)

Vor einigen Wochen hatten wir Besuch von einer alten Frau der Ojibwa-Indians. Sie erzählte von der Zeit von vor 55 Jahren, als hier der Rock'n' Roll tobte und sie mit ihrem Ehemann - wohl eine arrangierte Ehe - in der totalen Wildnis (sie wurden mit dem Flugzeug dort "abgeworfen") im Winter auf Biberjagd ging. Sie erzählte von den Entbehrungen, der Einfachheit, wie sie sich eine kleine Kabine aus Holz gebaut haben, in der sie hausten, von einem Wolfsangriff auf ihren Mann, und davon, alles zu verwenden, was sich in der Natur bietet: Eine andere Welt!

Ihr Annehmen der ganzen Unannehmlichkeiten, weil es eben nicht zu ändern war, sogar die ersten ihrer zwölf Kinder mit in diese Welt zu nehmen. Und ganz wichtig, den eigenen Humor nicht zu vergessen: Das hat mich sehr berührt und inspiriert, denn wir alle sind im Camp so unterschiedlich und haben einen komplett anderen Humor.

Somit lache ich jetzt ziemlich viel mit mir selbst und gehe trällernd durch den Wald, und siehe da, meine Camp-Kumpanin Jenny und ich sind uns ähnlicher, als wir zunächst dachten. Wir haben ordentlichen Spaß miteinander, oft krümmen wir uns nur noch vor Lachen. Wenn wir dann nur unverständliche Blicke ernten, geht's auch schon wieder von vorne los. Es ist eine Rettung auf einer sehr wichtigen Ebene für mich!

Ich lerne gerade, mich komplett davon frei zu machen, was andere von mir denken - und zwar auf einem gesunden und gelassenen Weg, nicht mit der "Jetzt erst recht"-Energie, die mir ja manchmal so zu eigen war, und dabei die anderen auch da zu lassen, wo sie gerade sind.

Es hat sich markant etwas verändert in meinem Clan: Der von mir manchmal so wahrgenommene Dogmatismus, die strikten Regeln, die "immer auf die harte Tour"-Masche scheint verflogen. Stattdessen hält eine Tiefe, ein Annehmen, ein Akzeptieren Einzug in unsere Reihen. Es tut gut, wir scheinen auf unserem Weg, als Clan wirklich jeden Einzelnen zu tragen, anzuerkennen und zu würdigen, mit allem, was da ist, angekommen zu sein. Nicht angekommen am Ziel, nur auf dem Weg dorthin.

Zurzeit scheint meine harte Zeit - z.B. vier Wochen Durchfall, und das im Wald, kein wirklicher Spaß) - erst einmal unterbrochen (ich wage ja nicht zu sagen beendet) zu sein. Auch meine seelischen Prozesse ruhen sich erst mal aus, um zu reifen. Inzwischen sehe ich auch das Geschenk, dass vieles in einer Zeit hochkam, wo der Clan noch nicht die Unterstützung - manchmal sogar das komplette Gegenteil - geben konnte, die ich mir gewünscht hätte.

Ich kann sagen, dass ich im Moment glücklich bin mit mir und eine Ahnung davon bekomme, was es bedeutet, sich wirklich selbst zu lieben. Gestern z.B. waren Jenny und ich im strömenden Regen und bei ziemlicher Kälte unterwegs und sind in den Himbeeren "verloren gegangen". Wir haben uns untergestellt, irgendwann auf dem Boden gelegen, durchnässt, frierend und gelacht und gesungen. Es war einfach alles gut so, wie es war. Versteht ihr, was ich meine? Die Umstände sind zum Jammern, zum Fluchen, zum sich selbst Bemitleiden, und was ist da? Einfach nur reine Freude über das Leben!

Noch ganz zum Schluss eine Bemerkung: Hier hat der Herbst mit Kawumm den Sommer so richtig von der Bühne gehauen, es ist kalt und regnerisch - das könnte die nächste Herausforderung werden! Bis bald,

Suzann Ringler