Die Angeklagten geben sich als “Unschuldslämmer“ und zeigen keine Reue. Nun müssen sie an einem Anti-Aggressionstraining teilnehmen.

Trappenkamp. Sie nennen sich "die Russen aus Trappenkamp", und man möchte diesen Männern nicht im Dunkeln begegnen, schon gar nicht am Wochenende, wenn alkoholbedingt die Fäuste noch lockerer sitzen als sonst. Dann wird aus nichtigem Anlass zugeschlagen.

Wegen schwerer Körperverletzung mussten sich jetzt die vier Deutschrussen Adim S. (19), Sebastian K. (20), Artur W. (15) und Felix S. (19) vor dem Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Richter Wolfgang Niehaus verantworten.

Es geht um zwei Tatkomplexe: Im Mai 2008 fand am Badesee in Bornhöved eine Feier statt. Der Angeklagte Adim S. geriet mit Marie-Christin D. (21) in Streit und schlug ihr ins Gesicht. Als ihr Freund Olek D. (20) zu Hilfe eilte, wurde er laut Anklage von Sebastian K. und Artur W. zu Boden geschlagen und anschließend mit Tritten traktiert.

An der zweiten Tat war neben Sebastian K. Felix S. beteiligt: Nach dem "Street move" wollte Felix S. im August 2008 mit Anton S. (24) auf der Straße noch Vodka trinken. Als Anton S. sich weigerte und die ihm überreichte Vodkaflasche wegwarf, schlug ihn der Angeklagte Felix S. zu Boden, sein Freund Sebastian K. kam dazu, und gemeinsam traten sie auf den am Boden liegenden Mann ein. Anton S. trug Prellungen davon, teilweise schwere.

Die Angeklagten wirken eher schmächtig, mit Ohrringen und Goldkettchen sitzen sie lässig im Gerichtsaal. Sie stellen sich als "Unschuldslämmer" dar. Sie seien bei beiden Schlägereien provoziert worden und hätten sich lediglich gewehrt.

Richter Niehaus hat elf Zeugen geladen, erschienen sind neun, eine Zeugin wird herbeitelefoniert, der Zeuge Georgi D. (21) wird von der Polizei zu Hause abgeholt. Die meisten Zeugenaussagen sind wenig ergiebig, denn vor allem die männlichen Zeugen haben plötzlich angeblich nichts gesehen. Es soll vorprozessual mehrfach zu Drohungen der Angeklagten gegenüber Zeugen gekommen sein.

So gab der Zeuge Andrej Z. (22) bei der Polizei an, er habe genau gesehen, wie Sebastian K. und Felix S. den am Boden liegenden Anton S. getreten hätten. Er hörte die Sätze: "Wir bringen dich um. Was glaubst du, mit wem du es zu tun hast ?" Das müsse falsch bei der Polizei angekommen sein, behauptet Andrej Z. jetzt. Richter Niehaus macht dem Zeugen klar, dass er entweder bei der Polizei gelogen habe oder jetzt eine Falschaussage mache - beides seien Straftaten, für die er mit einer Freiheitsstrafe rechnen könne. Daraufhin gibt Andrej Z. kleinlaut zu, dass seine Aussage vor der Polizei stimme. Die präzisen Aussagen der weiblichen Zeugen Julia Steffen (19) und Marie-Christin D. (21) sowie des Opfers Anton S. tragen schließlich dazu bei, dass die Sachverhalte der Anklagen sich im Wesentlichen bestätigen.

Alle vier Angeklagten kommen aus stabilen Elternhäusern und sind hier geboren oder als Kleinkinder nach Deutschland gekommen. Strafrechtlich aufgefallen sind sie bisher hauptsächlich durch Diebstähle. Der erst 15-jährige Artur W. allerdings flog wegen Bedrohungen von Lehrern und Mitschülern sowie einer versuchten Vergewaltigung von mehreren Schulen.

Alle vier Angeklagten wohnen noch bei den Eltern und werden nach Jugendstrafrecht verurteilt, eigentlich viel zu milde, insbesondere weil sie, wie der Richter betont, nicht "einen Schimmer von Reue" gezeigt hätten. Der erheblich vorbestrafte Sebastian K. erhält ein Jahr Jugendstrafe nur deshalb mit Bewährung, weil er einen Ausbildungsplatz hat und bei ihm "hoffentlich der Groschen gefallen ist", so Richter Niehaus. Artur W. erhält eine Verwarnung und 120 Stunden gemeinnützige Arbeit, Adim S. eine Verwarnung und 1200 Euro Geldbuße, Felix S. eine Verwarnung und 40 Stunden gemeinnützige Arbeit. Alle vier müssen an einem Anti-Aggressionstraining teilnehmen.