Aus einer Laune heraus ließ Abendblatt-Redakteur Uwe Wettstädt aus Norderstedt einen Luftballon mit seiner Adresse steigen - wie daraus eine Freundschaft mit einer DDR-Familie wurde, beschreibt Wettstädt am 5. Dezember 1989 .

Brieffreundschaften entstehen manchmal auf höchst seltsame Art: Das beweist die jahrelange Korrespondenz zweier Familien aus dem Norderstedter Stadtteil Harksheide und aus Haldensleben bei Magdeburg in der DDR. Durch die überraschende Öffnung der Grenzen zur Bundesrepublik kamen sich die Familien jetzt persönlich näher. Klaus Schumann (30) reiste mit Frau Evelyn und der sechsjährigen Tochter Stefanie im hellblauen Trabant einfach mal rüber auf einen Wochenendbesuch zur Familie Wettstädt.

Die Vorgeschichte entstand vor zweieinhalb Jahren. Abendblatt-Redakteur Uwe Wettstädt und sein Kollege Gunnar Brumshagen hatten damals während einer Pressefahrt aus Jux einen Luftballon samt Adresse von Hannover aus aufsteigen lassen. Drei Monate vergingen. Dann kam Antwort per Post: aus Haldensleben.

Bis dorthin hatte der Wind die gasgefüllte Gummihülle getrieben. Dann offenbar muss dem dünnhäutigen Oval die Puste ausgegangen sein. Jedenfalls fand Familie Schumann den Ballon beim Spaziergang im Wald. Und Klaus Schumann, von Beruf Heizungsinstallateur, entschloss sich, prompt zurückzuschreiben.

Auch die Antwort auf Norderstedt ließ nicht lange auf sich warten, es entwickelt sich ein reger Briefwechsel. Immer häufiger folgten Briefe und Päckchen von hüben nach drüben und umgekehrt. Familienfotos wurden ausgetauscht, Musikkassetten, Filzstifte und Süßigkeiten aus dem Westen in den Osten geschickt. Schumanns revanchierten sich mit Christstollen und alten Eierbechern, die sich Sammler Uwe Wettstädt, gewünscht hatte.

Am Wochenende nun lernten sich die beiden Familien endlich persönlich kennen. Schon die Briefe verrieten, dass sich die Schumanns und die Wettstädts durchaus sympathisch waren. Nun wurde die Freundschaft in langen Gesprächen, gemeinsamen Essen, Spaziergängen und einem Abstecher in die überfüllte Hamburger City vertieft. Klaus Schumann fasste seine Eindrücke so zusammen: "Wir sind erschlagen von den vielen Angeboten in den Läden."

"Alle reden von den Trabis - darf ich Euren mal fahren?" hatte Uwe Wettstädt gefragt. Er durfte. Er war beeindruckt von dem originellen, unverwüstlichen Zweitakt-Gefährt.

Zum Schluss gab es noch Tränen: Beim obligatorischen Familienfoto hatte Steffi ihren Ballon kurz aus den Augen gelassen - und schon schwebte er mit unbekanntem Ziel davon. Diesmal ohne Absender.