Franz Thönnes und Gero Storjohann werben auf dem Wochenmarkt. Die beiden Bundestagskandidaten sind bis 27. September pausenlos im Einsatz.

Norderstedt. Franz Thönnes (SPD) und Gero Storjohann (CDU) sind alte Kontrahenten. Die beiden Bundestagskandidaten im Wahlkreis Segeberg/Stormarn-Nord treten bereits zum dritten Mal gegeneinander an. 2002 gewann Franz Thönnes die Direktwahl, 2005 Gero Storjohann. Franz Thönnes (54) gehört dem Deutschen Bundestag seit 1994 an und wurde 2002 zum parlamentarischen Staatssekretär ernannt, derzeit beim Bundesminister für Arbeit und Soziales. Er wohnt in Ammersbek. Gero Storjohann (51) ist seit 2002 Bundestagsabgeordneter. Er wohnt in Seth. Die NZ hat die beiden Bundeskandidaten während des Wahlkampfes beobachtet.

Gero Storjohann schlendert lässig über den Wochenmarkt vor dem Norderstedter Rathaus. Helle Jeans, roter Anorak, kariertes Hemd. Die Haare fallen locker in die Stirn. Auf dem Plakat sieht er anders aus. Seriöser. Der jungenhafte Charme, den er mit seinen 51 Jahren immer noch ausstrahlt, bleibt auf der Strecke. "Ich habe mich bewusst für das seriöse Foto entschieden", sagt Storjohann. "Es gefällt nicht allen", gibt er zu. An diesem Morgen also gibt Gero Storjohann nicht den Staatsmann, sondern den netten Herrn von nebenan. Die Wahlhelfer von der Norderstedter CDU haben schon alles vorbereitet: Bistrotisch und CDU-Sonnenschirm stehen, die Broschüren liegen bereit. Direkt nebenan bauen die Wahlhelfer der SPD ihren Stand auf. Hier soll in etwa einer Stunde der SPD-Bundestagsabgeordnete Franz Thönnes auftauchen. Später, am frühen Nachmittag, dann der schleswig-holsteinische SPD-Spitzenkandidat Ralf Stegner. Donnerstags ist Wochenmarkt an der Rathausallee in Norderstedt - ein idealer Anlass für den Wahlkampf. Einen Platz mitten auf dem Markt wurde den Parteien allerdings nicht zugewiesen. Ihre Wahlkämpfer stehen etwas außerhalb, fast an der Straße. Das ist ungünstig, weil die meisten Marktbesucher aus einer anderen Richtung kommen.

Gero Storjohann ist das egal. Er ist ohnehin nicht der Mann für schnelle Gespräche im Vorübergehen. Er sucht sich seine Gesprächspartner sorgfältig aus, taxiert die Entgegenkommenden erst unauffällig, aber ausgiebig, bevor er sie anspricht. "Ich hab' früher mal Tannenbäume im Familienbetrieb verkauft", sagt der Politiker. "15 Jahre lang, da habe ich gelernt, die Menschen einzuschätzen." Aber auch diese harte Schule schützt ihn nicht vor Fehleinschätzungen. "Guten Tag, ich kandidiere für den Bundestag", sagt er lächelnd zu einer jungen Frau, die mit ihrem Kinderwagen in Richtung Wochenmarkt geht. Keine Reaktion. Die Angesprochene geht weiter und würdigt den Politiker keines Blickes. Den nächsten Passanten, einen älteren Herrn im Jeanshemd, verwickelt er in ein Gespräch. "Die Wahlprogramme sind schlimm", sagt der Mann und wirft Gero Storjohann damit den Ball zu, den er dankbar auffängt. "Ich kann sagen, wofür ich stehe", kontert der Politiker. Die Diskussion nimmt ihren Lauf: Über die mageren Renten für ältere Menschen, über Hartz IV bis hin zum schwerfälligen Gesetzgebungsverfahren zieht sich das Gespräch. Gero Storjohann lacht, fragt nach, zählt Beispiele auf, rechnet mit den Fingern nach, spricht eindringlich auf den Mann ein und wird auch nicht ungeduldig, als der auf sein eigentliches Problem zu sprechen kommt: Er hat wegen vermieteter Wohnungen Probleme mit dem Finanzamt. Gero Storjohann gibt ihm Tipps und klärt ihn auf, beißt sich fest.

Die CDU-Wahlhelfer und die ebenfalls anwesende Landtagskandidatin verteilen derweil fleißig ihre Broschüren und die kleinen Wahlgeschenke.

Gero Storjohann lässt sich auch durch die Aktivitäten am Nachbarstand nicht stören.

15 Meter weiter hat inzwischen der SPD-Bundestagskandidat Franz Thönnes Quartier bezogen. Er begrüßt die Wahlhelfer seiner eigenen Partei und die der CDU freundlich per Handschlag. Gero Storjohann und er winken sich zunächst nur lässig zu. Die Begrüßung erfolgt später, weil der CDU-Kandidat noch immer im Gespräch vertieft ist.

Der SPD-Mann geht burschikoser an die Arbeit: Er spricht alle vorübergehenden Passanten an und versucht, ihnen seine Broschüre in die Hand zu drücken. Das klappt nicht immer, aber meistens. "Ein schönes Wochenende wünsche ich Ihnen", ruft er den meisten hinterher. Eine junge Frau interessiert sich nicht für das Wahlprogramm, hat aber ein bestimmtes Ziel vor Augen. "Darf ich mir die Gummibärchen nehmen", fragt sie und geht zum SPD-Stand. "Klar", sagt Franz Thönnes und lacht.

Nein, eine bestimmte Taktik beim Verteilen der Wahlprogramme, habe er nicht, sagt Franz Thönnes, der seine blaue Jeans mit einem dunkelblauen Jackett adelt. Er tritt heute seriös auf. Mehrere große Plakate mit seinem Bild machen den Passanten schon von weitem deutlich, wer sie hier erwartet. "Viele erkennen mich", sagt Franz Thönnes. Längere Einzelgespräche möchte er an diesem Vormittag im Gegensatz zu seinen CDU-Kollegen Storjohann vermeiden. "Manche sprechen gerne ein bisschen lange", weiß er aus Erfahrung. Im Zweifel lässt er sich darauf ein, achtet aber darauf, dass nicht zu viel Zeit dabei verloren geht.

Im Laufe des Wahlkampfes ist Franz Thönnes schon an gut 40 SPD-Ständen auf Stimmenfang gegangen - immer reagieren die Menschen unterschiedlich, hat er festgestellt. "Vor allem die jungen Leute sind eher zurückhaltend, wenn ich sie anspreche." Zwei Männer schaffen es, ihn in ein Gespräch über Leiharbeit und die Arbeitslosigkeit junger Menschen zu verwickeln. Thönnes geht darauf ein, passt aber auf, dass es kein zu langes Gespräch wird. Er bricht ab, notiert sich die Namen und E-Mail-Adressen seiner Gesprächspartner. Er bedankt sich aber auch, dass sie ihn angesprochen haben.

Gero Storjohann, von dem es kein Wahlplakat am Stand gibt, ist derweil in ein nächstes langes Gespräch verwickelt. "Ich würge kein Gespräch ab", sagt er hinterher. "Das könnte mir sonst negativ ausgelegt werden."

Die beiden Wahlkämpfer gehen kollegial miteinander um, lachen, machen Scherze. Der eine zurückhaltend im Auftreten (Storjohann), der andere (Thönnes) auffälliger und etwas lockerer. Wahlkampf ist ein mühsames Geschäft, auch an diesem sonnigen Vormittag im Spätsommer. Spätestens im Herbst treffen sich beide wieder im Plenum. Denn sowohl Franz Thönnes (Listenplatz 3 in Schleswig-Holstein), als auch Gero Storjohann (5) haben ihre Plätze im nächsten Deutschen Bundestag sicher - egal, wer die Direktwahl gewinnt.