Selbst Experten können die Nachbauten kaum von echten Waffen unterscheiden. Die Polizei warnt: Aus harmlosem Spiel kann im Extremfall blutiger Ernst werden.

Norderstedt. Was Polizist Wolfgang Banse auf dem Tisch ausgebreitet hat, sieht aus wie das Ergebnis einer Razzia bei einer Mafiabande. Die Bandbreite der Schusswaffen, die der Norderstedter Ordnungshüter präsentiert, reicht von Pistolen über einen M 4 Karabiner bis zu einem Sturmgewehr G 36. All diese Waffen sind "nur" Imitate, aber sicher kein Spielzeug, das in Kinderhände gehört, wie Polizei, Kriminalpräventiver Rat, Ordnungsbehörden und Kinderschutzorganisationen warnen.

Die sogenannten Soft-Air-Waffen, die mittels Feder- oder Gasdruck Plastikkügelchen verschießen, sind derart detailliert dem Original nachempfunden, dass selbst Waffenkenner ganz genau hingucken müssen. Die Waffen sind derzeit ein Renner unter Jugendlichen. In Norderstedt haben Polizisten zuletzt mehrere dieser Waffen beschlagnahmt. Soft-Air-Waffen fallen unter die Kategorie der "Anscheinswaffen" - und dürfen nicht außerhalb der eigenen vier Wände mitgeführt werden. Wer gegen dieses Verbot verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einer Geldbuße von bis zu 10 000 Euro rechnen.

Werden "Pistoleros" erwischt, so wie in den vergangenen Monaten etwa 50-mal im Kreis Segeberg, wandern ihre teuren "Spielzeuge" in die Schrottpresse. Die Waffen werden zu Preisen von etwa 50 Euro für Plastikmodelle, bis hin zu mehreren Hundert Euro für Maschinenpistolen und Gewehren aus Metall gehandelt. Angeboten werden die Soft-Air-Waffen (unter 0,5 Joule Geschossenergie) in Eisenwarenhandlungen, Jagd- und Anglergeschäften, hauptsächlich aber im Internet. Der Verband der Hersteller von Jagd-, Sportwaffen und Munition empfiehlt die Abgabe nur an Personen im Alter über 14 Jahren. Trotzdem kommen auch Kinder problemlos an die Waffen.

"So was haben doch alle", sollen Eltern gesagt haben, deren Kindern die "Anscheinswaffen" von der Polizei abgenommen wurden, berichtet Banse. "Die Jugendlichen sagen, sie hätten die Dinger zum eigenen Schutz." Ein trügerisches Sicherheitsgefühl, wie Banse betont. Im Konfliktfall kann eine (Anscheins-)Waffe die Situation eskalieren lassen. Bundesweit sind Fälle bekannt, in denen Waffenimitate zu Polizei-Großeinsätzen geführt haben. "Wer soll in Sekundenschnelle entscheiden, ob es eine echte Waffe ist?", sagt Banse. Im Juli hatte ein Polizist in Bad Segeberg einem Mann ins Bein geschossen, nachdem der Autofahrer mit einer Schusswaffe gedroht hatte. Wie sich herausstellte, war es eine Schreckschusspistole. "Jugendpolizist" Banse fordert Eltern auf, darauf zu achten, wenn ihre Sprösslinge "aufrüsten" wollen. Denn aus dem Spiel mit den Soft-Air-Waffen kann in jeder Hinsicht schnell tödlicher Ernst werden. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte warnt davor, dass die vermeintlich harmlosen Plastikgeschosse "schwere, manchmal dauerhafte Verletzungen" am Auge anrichten könnten - in extremen Fällen bis hin zur Erblindung.