Astrid Mehrer bietet Hilfe für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien an. Der Bedarf ist nach Angaben von Fachleuten groß.

Norderstedt. Die Probleme rund um die Sucht oder gar die Abhängigkeit selbst werden, so wissen die Experten, häufig von Generation zu Generation "vererbt". So zeigen die Ergebnisse von Studien, dass 30 bis 60 Prozent aller Kinder aus sogenannten Suchtfamilien später selbst eine Suchtmittelabhängigkeit entwickeln. Um diesen "Suchtkreislauf" zu durchbrechen, wie ihn Dr. Hans-Jürgen Tecklenburg als Leiter der hiesigen Drogen- und Suchtberatungsstelle der Ambulanten und Teilstationären Suchthilfe (ATS) des Landesvereins für Innere Mission (Kohfurth 1) tituliert, wurde vor kurzem auch in der Stadt Norderstedt das Projekt "Kleine Riesen" gestartet. Federführend bietet Astrid Mehrer Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien an - und hat bereits nach wenigen Wochen regelmäßig Kontakt zu zehn jungen Leuten zwischen fünf und 18 Jahren.

Der Bedarf ist nach Angaben der Fachleute groß: Mehr als 2,6 Millionen Kinder in Deutschland wachsen in suchtbelasteten Familien auf. Auf Norderstedt gerechnet, wären es mehr als 2000 betroffene Kinder. Für sie ist insbesondere die psychische Belastung riesig. In vielen Fällen leiden diese Kinder unter Angstzuständen und Depressionen. Und: "Sie beziehen die Suchtproblematik auf sich, halten sich für nicht liebenswert", erklärt Astrid Mehrer.

Das Projekt lief bereits seit 2002 erfolgreich im Bereich Quickborn, wo summa summarum mehr als 150 Kinder erreicht werden konnten. Klaus Struckmann, Leiter des Jugendamtes der Stadt Norderstedt, lobte die Stadtpolitik, die durch zügige Beratungen und einen einstimmigen Beschluss im Jugendhilfeausschuss den Weg freigemacht hätten, um dieses spezifische Angebot in der Suchtberatungsstelle zu finanzieren (halbe Stelle).

"Die Kinder können ihre Eltern nicht ändern", sagt Tecklenburg über die Situation in den "Suchtfamilien". Zentraler Ansatz des neuen Projekts ist es, den Kindern die Ohnmacht zu nehmen und sie zu stärken, die also zu widerstandsfähigen "Kleinen Riesen" zu machen. "Es ist schwierig in suchtbelasteten Familien zu leben", sagt die Fachfrau, "aber wir machen den Kindern klar, dass sie trotzdem Spaß haben können und dürfen." Und häufig werde über die Aktivitäten zugunsten der schwächsten Mitglieder in den Familien noch mehr angestoßen, wie Astrid Mehrer weiter sagte: "Wenn ein Mitglied aus dem Suchtsystem aussteigt, kommt häufig das ganze System ins Wanken."

Anlässlich von "Kleine Riesen" werden wöchentlich Einzel- und Gruppengespräche angeboten, aber auch Elternberatungen und sogar Hausbesuche. Bei den regelmäßigen Treffen mit Astrid Mehrer haben die betroffenen Kinder und Jugendlichen die Chance, aus der häufig von ihnen erlebten Isolation herauszukommen und sich mit Gleichaltrigen und Gleichgesinnten zu beraten. Den "Kleinen Riesen" soll ein "geschützter und vertrauensvoller Rahmen" geboten werden.

Eine Kontaktaufnahme, auf Wunsch auch anonym, ist unter der Rufnummer 040/523 32 22 oder per E-Mail unter " sucht.nor@ats-sh.de " möglich.