Wissen Sie, warum der biblischen Überlieferung zufolge Gott das Opfer des Kain im Gegensatz zu dem des Abel nicht angenommen hat (was dann zum ersten biblischen Brudermord führte)? Weil sich auf der Opfergabe des Kain ein Teufelchen tummelt.

Diese Erklärung jedenfalls bietet ein Fresko in der Dorfkirche St. Helena bei Deutschnofen. Fasziniert habe ich in den letzten Wochen vor den unterschiedlichsten Fresken in Südtiroler Kirchen gestanden, die ältesten aus dem 8. Jahrhundert, die jüngsten von 1924. In so unterschiedlichen Weisen wird in den Bildern aus 1200 Jahren dem Glauben an Gott Ausdruck verliehen, dass man sich kaum vorstellen kann, dass das immer derselbe Gott ist.

Da finden sich Heiligenbilder mit Heiligenschein und allem, was dazugehört, da finden sich aber auch Bilder, die einer geradezu naiv-anrührenden Frömmigkeit Raum geben; etwa in der Naturnser St.-Prokulus-Kirche. Dort ist Bischof Prokulus beim Schaukeln zu sehen. Ohne Heiligenschein natürlich. In Wahrheit schaukelt er auch nicht, sondern wird auf der Flucht eine Stadtmauer heruntergelassen. In St. Helena sind die Evangelisten dargestellt, an Schreibpulten sitzend, die nicht nur mit modernster, mittelalterlicher Technik ausgestattet sind, sondern außerdem mit gefüllten Weinkaraffen; (auch) diese Weise der Inspiration scheint dem mittelalterlichen Maler selbstverständlich gewesen zu sein.

Der Glaube an Gott ist vielgestaltig, ist mannigfach - das ist in Südtirol unübersehbar. Ich verstehe diese Vielfältigkeit des Glaubens als Schatz, für den ich dankbar bin.

Christian Stehr ist Pastor der Vicelin-Schalom-Kirchengemeinde in Norderstedt.