Vor allem die Betrugsfälle bei der Telekommunikation und beim Handyverkauf sind stark angestiegen.

Kaltenkirchen/Norderstedt. "Die Abzocke der Verbraucher ist hoch, und es wird immer schlimmer", sagt Christian Meyer. Der Volljurist aus Kiel, bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein zuständig für Finanzdienstleistungen, berichtete in Kaltenkirchen über gravierende Fälle aus diesem Jahr.

Fall 1 : Bei einem Kinderfest auf dem Marktplatz einer Kleinstadt dreht ein zehnjähriges Mädchen das Glücksrad. Ihre Mutter, eine alleinerziehende Frau, schaut zu. Zehn Sparbücher einer großen deutschen Bank sollen zu gewinnen sein. Das Kind hat "Glück", aber die Mutter muss mehrere Formulare ausfüllen und unterschreiben. Zu Hause entdeckt die Hartz-IV-Empfängerin, dass sie einen Bausparvertrag abgeschlossen hat. "Das ist ein Skandal", wettert Christian Meyer.

Fall 2 : Ein Mann, bei einer Bank mit 15 000 Euro in der Kreide, geht auf das Angebot eines weltbekannten Finanzinstitutes ein: Umschuldung zu einem angeblich geringeren Prozentsatz. Er wird so lange bedrängt, bis er ohne Not einen Kreditvertrag über weitere 25 000 Euro unterzeichnet. In beiden Fällen können die Verbraucherschützer helfen.

Wolfgang Stein, Leiter der Schuldnerberatungsstelle in Kaltenkirchen, hat im vergangenen Jahr mehr als 200 total verschuldete Familien betreut. Er spricht mit den Gläubigern, er rät auch zum privaten Insolvenzverfahren. "Jeder hat eine zweite Chance verdient", sagt er. "Wer sich nach den Vorschriften verhält, kann nach sechs Jahren schuldenfrei sein."

Dafür setzt sich auch seine Kollegin Antje Bedbuer, die zwischen den Beratungsstellen in Kaltenkirchen und Bad Segeberg pendelt, ein. "Besonders das Internet kann zur Falle werden", sagt die 28-Jährige. "Die Betrugsfälle bei der Telekommunikation und beim Handyverkauf sind in den vergangenen fünf Jahren dramatisch angestiegen. Viele 18- bis 20-Jährige sind mit bis zu 5000 Euro verschuldet."

Die Überschuldung im Kreis Segeberg liegt mit einer Quote von 10,75 Prozent leicht über dem Bundesdurchschnitt von 10,11 Prozent. Im Jahr 2008 haben sich 999 Bürger mit Überschuldungsproblemen an die beiden Beratungsstellen gewandt.

Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit sind die Hauptursache für Verschuldung, gefolgt von Scheidung, Trennung oder Tod des Partners. Gut 50 Klienten im Kreis Segeberg hatten mehr als 20 000 Euro Schulden, bei der Beratungsstelle in Kaltenkirchen durchschnittlich 43 324 Euro, in Bad Segeberg 59 316 Euro. Vier Berater mussten insgesamt 8,44 bzw. 10,20 Millionen Euro "bearbeiten".

Bernd Krieger, Leiter des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland mit Standort in Kiel, berichtete am Infostand in Kaltenkirchen über eine eindrucksvolle Zahl: "Mehr als 50 000 Personen haben in den vergangenen zehn Jahren Kontakt zu uns aufgenommen, um sich über Chancen und Risiken des EU-Binnenmarktes zu informieren." Die Bundesprojekte "Versicherungen", "Verbraucher in der Digitalen Welt" und "Häusliche Pflege" erfuhren außerdem große Resonanz.

Das Interesse an Beratung ist bei den Verbrauchern groß. Die zwei Beraterinnen in Norderstedt zählten im vergangenen Jahr 14 000 Anfragen. Noch vor wenigen Jahren sei es den Kunden zumeist um Informationen und Testergebnisse über Produkte gegangen, sagt Marion Helmers. Inzwischen gehe es zumeist um Beratung zu Dienstleistungen und Beschwerden. Am größten sei der Informationsbedarf zu den Themen Finanzen und Versicherungen. An zweiter Stelle stehen Verbraucherrecht, Internetabzocke und Datenschutz.

Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein mit ihren Hauptberatungsstellen in Flensburg, Heide, Kiel, Lübeck und Norderstedt steht mit ihren Spezialisten allen Bürgern mit Rat und Tat zur Seite. Kontakt Norderstedt: Tel. 040/523 84 55.

Weitere Informationen im Internet unter der Adresse www.verbraucherzentrale-sh.de .