Weil der 63-Jährige angeblich eine Doktorarbeit verfasst hatte, meinte er, sich auf dem Briefkopf schon mal als “Cand. Dr. med.“ präsentieren zu dürfen.

Kiel/Norderstedt. Auch in zweiter Instanz vor dem Kieler Landgericht setzte sich ein Arzt aus Norderstedt vergeblich gegen einen Strafbefehl zur Wehr, der ihm 2000 Euro Geldstrafe wegen Missbrauchs des Doktortitels auferlegt hatte.

Der "falsche Doktor" Michael D. war nach Angaben der Ärztekammer Schleswig-Holstein als angestellter Arzt in einer Norderstedter Praxis tätig. Dort hat er seinen Dienst beendet und ist nach Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) gezogen.

Laut Urteilsbegründung der Berufungskammer scheiterte der Einspruch des 63-jährigen Mediziners gegen den Strafbefehl schon deshalb, weil er im Februar 2009 seinen Prozesstermin vor dem Amtsgericht Norderstedt unentschuldigt versäumt hatte. Die schmerzhafte Überdehnung der linken Achillesferse, die der Angeklagte hierfür fachkundig ins Feld führte, wollte das Amtsgericht schon damals nicht gelten lassen. Die Folge: Das Rechtsmittel war verwirkt.

Jetzt kam auch das Kieler Landgericht zur Überzeugung, Michael D. sei die Bahnreise von seinem derzeitigen Wohnort Wismar nach Norderstedt zuzumuten gewesen. Immerhin habe der Angeklagte am Tag vor dem Prozesstermin noch zu Fuß einen Orthopäden aufgesucht, um sich ein Attest ausstellen zu lassen. Ohne Stock und Krücken sei er in der Praxis erschienen, bestätigte der eigens nach Kiel bestellte Orthopäde (37) als Zeuge vor Gericht.

Da nützte es dem Angeklagten auch nichts, dass der Kollege ihn damals in seiner Dokumentation als "nicht gehfähig" und nur "eingeschränkt mobil" eingestuft hatte. Eine Schonung des Fußes sei bei der "Diagnose Fersensporn" nicht erforderlich, meinte der Orthopäde vor Gericht. Fazit des Vorsitzenden: "Sie hätten die Beschwerlichkeiten der Reise auf sich nehmen müssen." Die Justiz stelle sehr hohe Anforderungen an die Verhandlungsfähigkeit eines Angeklagten. Ein Zeugnis für Arbeitsunfähigkeit reiche bei Weitem nicht aus.

Der Hamburger Verteidiger zeigte sich "einigermaßen fassungslos" über die Unnachgiebigkeit der Justiz. Sein Mandant verfüge über keinen Pkw, hätte auf der beschwerlichen Bahnreise viele Treppen steigen und mindestens dreimal umsteigen müssen, rechnete er vor.

Vielleicht war der fußkranke "Doktor" von Anfang an zu selbstbewusst aufgetreten: Schon gegenüber dem zuständigen Richter in Norderstedt soll D. in einem Telefonat seine eigene Fachkompetenz herausgestellt und die Einholung eines Attestes als überflüssig abgelehnt haben.

"Ungeschickt", so sein Verteidiger, verhielt sich der Angeklagte auch im Umgang mit seinem selbst zugeschriebenen Doktortitel. Weil D. angeblich eine Doktorarbeit verfasst hatte, meinte er, sich auf dem Briefkopf schon mal als "Cand. Dr. med." präsentieren zu dürfen. Diese Praxis pflegte er hartnäckig weiter, auch nachdem die Ärztekammer Strafanzeige erstattet hatte. Immerhin wurde der Mediziner in der Verhandlung ein Mal mit "Dr." angesprochen. Ein Versehen des Vorsitzenden, der sich sogleich korrigierte.