Noch in diesem Jahr wird die Sängerin mit Rock-Legende Iggy Pop in Duisburg auftreten.

Wahlstedt. Volkslied nein danke? Nicht, wenn Tine Kindermann es singt. Uneitel, sehr natürlich und nur dem Lied verpflichtet, formte Tine Kindermann beim Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Kleinen Theater in Wahlstedt deutsche Volkslieder zu Kleinodien. Die Sängerin entfaltet die Texte und ihren Sinn und lässt die Inhalte auf die Zuhörer wirken. Sie gibt den Gefühlen in den Liedern einen breiten Raum und betont deren süßen Schmerz, ist doch stets weit entfernt von jeglichem Kitsch. Tine Kindermann ist in Berlin geboren, lebt in New York und brachte von dort das Klezmer-Avantgarde-Ensemble "Klezmatics" mit. Frank London (Trompete, Truhenorgel, Keyboard, Gesang) Lorin Sklamberg (Akkordeon, Gitarre, Gesang), Brandon Seabrook (E-Gitarre, Banjo, Gesang) und Pablo Aslan (Kontrabass, Gesang) befreien jiddische Musik vom folkloristischen Zuckerguss ebenso, wie Tine Kindermann deutschen Volksliedern die unerträglichen Gefühlsduseleien nimmt und sie zum Ursprung zurückführt.

Die Sängerin mit der warmen und weichen Stimme wählte fast durchweg Lieder von Trauer und Tod aus, hebt aber sowohl die Schönheit der Texte wie der Melodien stark heraus und betont die tröstlichen Nuancen. Diesen Charakter verstärkten die vier Musiker in ihrer Interpretation der Lieder.

Tine Kindermann entdeckte als Erwachsene die Lieder ihrer Kindheit wieder - Lieder, die ihr von der Großmutter vorgesungen wurden. Sie ist von der Traurigkeit und der Schönheit fasziniert und interpretiert sie neu. Doch sie singt nicht nur, sie ist auch Künstlerin und setzt die Inhalte der Lieder und auch Grimms Märchen in Bildern, Puppenhäusern und anderen Objekten und Videos um. Viele Lieder und viele Objekte, Bilder und Videos erarbeitet sie gemeinsam mit ihrem 15-jährigen Sohn. "Der spricht deutsch", sagte sie dem Publikum stolz. Noch in diesem Jahr wird Tine Kindermann auch mit der Rock-Legende Iggy Pop im Konzert "Love and Death" in Duisburg auftreten.

War im ersten Teil des Konzerts ihr Spiel auf der Singenden Säge zum wunderbar gesungenen Goethe-Lied "Es war ein König in Thule" (Melodie Carl Friedrich Zelter) ein Höhepunkt, so zeigte sie im zweiten Teil zu den Liedern ein Video.

Besonders anrührend erklingt "Schwesterlein", eines ihrer Lieblingslieder, wie Kindermann dem Publikum im leider nicht einmal halb besetzten Theatersaal in Wahlstedt verriet. Den Part des Brüderleins übernimmt Lorin Sklamberg. Das Duo gestaltet das Lied wie einen fern verwehenden Schmerz, der in sich die Süße der Vergänglichkeit birgt.

Als eindringliche Ballade interpretiert sie "Wo soll ich mich hinwenden?" - ein altes Volkslied, das durch Tine Kindermann unversehens zum Anti-Krieglied wird. "Jetzt weiß man, woher Bertolt Brecht seine Balladen hat", sagt sie denn auch dem Publikum. Zu Tränen rührte sie mit "Es waren zwei Königskinder" - einem Volkslied aus dem 16. Jahrhundert. Volkslied? Ja, bitte! Mit Tine Kindermann.