Der Staatsschutz nimmt den Ex-Kommunisten und Norderstedter SPDler fest. Die Beamten finden Waffen, politische Kampfschriften, Material zur Herstellung von Bomben und eine Fälscherwerkstatt.

NZ-Redakteur Werner Stahl berichtet am 24. Januar 1975 über den Einsatz gegen den Verlagsberater, dem gute Kontakte zur Baader-Meinhof-Gruppe nachgesagt wurden.

Das ist Tagesgespräch nicht nur in Norderstedt: Borvin Wulf (36) aus dem Hopfenweg 203, der politische Fanatiker mit dem Doppelleben! Kaum zu glauben, dass dieser Mann, Vater von zwei Kindern, in Embsen bei Lüneburg noch eine zweite Wohnung gemietet hatte, in der erdrückendes Beweismaterial gefunden wurde: Revolver, eine abgesägte Schrotflinte, politische Kampfschriften. Material zur Bombenherstellung und eine Fälscherwerkstatt.

Über Borvin Wulf, der einst auf dem Roten Platz in Moskau für die Juden demonstrierte, dort ins Gefängnis wanderte und sich 1971 mit Schwung in die politische Szene in Norderstedt stürzte, wird heute Abend das SPD-Parteischiedsgericht zusammentreten.

Wer ist dieser Mann mit dem sicheren Auftreten, den geschliffenen Formulierungen, dem kurz geschnittenen Haar und dem Aussehen eines amerikanisch geprägten Managers? Er lebte abgeschieden im Haus am Hopfenweg, versteckt hinter einer hohen Buchenhecke und hatte keinen Kontakt zu den Nachbarn.

Sechs Jahre war Borvin Wulf in Frankfurt Mitglied der kommunistisch gelenkten DFU. 1971 wurde er Mitglied der Norderstedter SPD. "Er hat von Anfang an in der Partei Schwierigkeiten gemacht", konstatiert jetzt Hartmut Gebser, Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes. Borvin Wulf arbeitete wie ein Besessener für die Partei, schockierte andererseits durch unglaubliche Härte und Kälte, mit der er in Leserbriefen gegen Bürgermeister Embacher und andere Politiker vorging. Wulf wurde Vorstandsmitglied.

Er rückte immer mehr in die ultralinke Ecke. Er beschimpfte öffentlich Bürgermeister Embacher - die Partei distanzierte sich. Doch Wulf gab nicht auf. Nach der "Türkenschlacht" im "Tiefen Brunnen", bei der der Bauingenieur Danis Neset am 5. Mai tödliche Verletzungen davontrug, organisierte Wulf mit kommunistischen Organisationen Demonstrationen gegen die Polizei und gegen den Norderstedter Bürgermeister. Bei einer Protestaktion vor dem Gemeindehaus Schalom gegen die Polizei war Wulf einer der Hauptakteure mit dem Megaphon in der Hand. Er forderte den "Kopf" des Norderstedter Kripochefs.

Im Audimax in Hamburg sprach Borvin Wulf auf einer kommunistischen Versammlung von den "Genossen von der RAF, die sich in Isolationsfolter befinden". Da langte es auch der SPD und das Parteiordnungsverfahren gegen Borvin Wulf, das heute Abend entschieden wird, wurde angestrengt.

Über Monate hat der Staatsschutz Borvin Wulf beschattet. Ein Verdacht gegen ihn bestand seit drei Jahren. Damals stürmten Polizisten mit entsicherten Pistolen das Haus, das versteckt hinter dem Glashütter Müllberg lag. Hier verstecken sich Mitglieder der Baader-Meinhof-Bande, hieß es. Das Haus wurde vom Keller bis zum Dachfirst durchsucht - ohne Erfolg. Jetzt wurde Wulf festgenommen.