Es ist wieder Sommerzeit. Zeit, die Gräber zu gießen, Rasen zu mähen, Unkraut zu zupfen. Der eine oder andere Grabstein ist zu säubern. Man kann wieder viele Menschen auf den Friedhöfen treffen.

Böse Zungen sagen, die Friedhöfe seien überhaupt der lebendigste Ort in Norderstedt. Das ist sicherlich etwas übertrieben, aber sie sind sehr lebendige Orte: Man trifft sich, man trifft die gleichen lebendigen Menschen immer wieder. Unsere Toten sind bei Gott im Himmel. Es ist ein Ort, um Menschen mit gleichem Schicksal zu treffen. Es wurden schon viele Ehen auf Friedhöfen gestiftet. Beruflich bin ich öfter einmal auf unseren Friedhöfen. Ich freue mich dann auch, wenn ich sehe, dass der Friedhof wieder so gut bevölkert ist von Menschen, die an ihre Toten denken und ihre Gräber pflegen. Ich gehe meistens hinter Sarg oder Urne, hinter dem Bestatter, der uns zum Grab führt. Die Trauergesellschaft schweigt, sie bildet eine Welt für sich, getragen durch die gemeinsame Trauer. Manchmal kommt es dann zu überraschenden Begegnungen zwischen der Trauergesellschaft und Menschen, die mit den kleinen Gartenarbeiten beschäftigt sind. Was ist dann zu tun? Eine Variante ist die Schockstarre: Einfach weiter den Engel am Brunnen putzen, bis der Trauerzug vorbei ist. Einfach ignorieren und weiter machen, als ob man gar nicht da wäre. Besser wäre es, kurz die Arbeit zu unterbrechen, den Hut abzunehmen, und dem dann ja unbekannten Toten die letzte Ehre erweisen, indem man sich mit geneigtem Kopf zum Zug aufstellt.

Ganz schwierig war die Vogel-Strauß-Taktik, die neulich die Trauergesellschaft erleben musste und der wohl folgende Gedanken zu Grunde lagen: Wenn ich mich bücke und am Grab die Blumen bearbeite, sehe ich den Trauerzug ja nicht, also werden die mich auch nicht sehen. Was wir dann sahen, war als letzte Ehrenbezeugung den Toten gegenüber nicht geeignet. Böse gemeint sind diese Ungeschicklichkeiten alle nicht, geschuldet sind sie unseren anonymen Lebensverhältnissen - man weiß ja nicht, dass schon wieder jemand beerdigt wird, und eine Trauergesellschaft kann wirklich ganz plötzlich einmal um die Ecke biegen. Der plötzliche Tod war in alten Zeiten schon am stärksten gefürchtet.