Wie wächst Kirche in Stadt und Land zusammen? Auch darüber sprach NZ-Mitarbeiter Bernd-Olaf Struppek mit dem “Vorstandssprecher“ des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein, Propst Dr. Karl-Heinrich Melzer.

Norderstedter Zeitung:

Sie haben sich als neuer Kirchenkreis eindeutig gegen die in Pinneberg geplante Nazi-Demonstration gestellt. Gilt die Formel: Je größer der Kirchenkreis, desto größer auch sein politischer Einfluss?

Dr. Karl-Heinrich Melzer:

Eindeutig ja. Vorher waren wir sieben kleinere Player, jetzt umfasst unser Kirchenkreis das gesamte westliche Hamburg und das angrenzende Umland. Unsere Stimme hat jetzt eindeutig mehr Gewicht, um hörbar zu machen, was unsere Anliegen sind.

Norderstedter Zeitung:

Wieviel von einem Konzernchef steckt heute im Propst eines derart großen Kirchenkreises mit 140 Pastoren in 55 Kirchengemeinden und mit insgesamt annähernd 2300 Mitarbeitern?

Melzer:

Mehr als mir lieb ist! Wir mussten bis zur Fusion eine Doppelstrategie fahren: Es galt, die alten Strukturen am Leben zu halten. Und dabei gleichzeitig neue Strukturen zu schaffen. Meine Hoffnung aber ist, in Zukunft weniger Konzernchef sein zu müssen - und den Menschen wieder mehr geistlicher Begleiter sein zu können.

Norderstedter Zeitung:

Sie sind mit der Aussage in die Fusion gegangen, anders als in anderen neuen Kirchenkreisen keine Mitarbeiterstellen zu streichen...

Melzer:

Und dieses Versprechen galt nicht nur für den Stichtag der Fusion. Es hat bislang keine einzige fusionsbedingte Kündigung gegeben. Und es wird keine Kündigungen geben! Es ist bis heute allerdings noch nicht ganz sicher, wo am Ende jeder einzelne Mitarbeiter sitzen wird.

Norderstedter Zeitung:

Einsparen wollen Sie bei Gebäude- und Verwaltungskosten. Lässt sich das Einsparpotenzial in Euro beziffern?

Melzer:

Wir haben noch nicht alle Maßnahmen umgesetzt - beispielsweise stehen bis zum Sommer noch letzte Umzüge an; Details also gerne nächstes Jahr, wenn alles umgesetzt ist. Aber soviel kann ich jetzt schon sagen: Wir haben drei Standorte komplett aufgegeben, darunter das Zentrum in Rissen. Dafür allein waren bisher rund 150 000 Euro Gebäudekosten per anno angefallen. Ehrlicherweise muss aber auch gesagt werden, dass zunächst Einmalkosten für den Umbau und die Umzugskosten beglichen werden mussten.

Norderstedter Zeitung:

Über die Kirchensteuer trifft die Finanz- und Wirtschaftskrise sicher auch Sie als Kirchenkreis?

Melzer:

Auf jeden Fall. Wir planen mit 20 Millionen Euro Einnahmen aus der Kirchensteuer - aber mit aller Vorsicht. Wir plotten Woche für Woche, Monat für Monat mit. Die Steuerschätzer sind zurzeit dabei, die Steuerprognosen für die Kirchensteuererwartungen in unserer Region herunter zu brechen. Der Kirche geht es eben genauso gut oder schlecht wie den Menschen, die Kirchensteuern zahlen.

Norderstedter Zeitung:

Sie haben gesagt, die größte Herausforderung innerhalb des Kirchenkreises sei es, dass Land und Stadt zusammenwachsen. Wie funktioniert das in der Praxis?

Melzer:

Das Tolle an unserem Fusionsfest in Wedel war: Es war mehr als ein symbolischer Akt der kirchlichen Leitung. Es war eine Aktion vieler Kirchengemeinden und Kirchenkreiseinrichtungen. Wenn das Zusammenwirken aller in unserem Kirchenkreis immer so aussieht, dann ist mir für die Zukunft nicht bange. Dann ist Vielfalt - egal ob in der Haseldorfer Marsch oder in Hamburg-Altona - kein Hindernis, sondern gegenseitige Bereicherung.

Norderstedter Zeitung:

Guckt die Stadt, wo teils nur noch 30 Prozent der Menschen in der Kirche sind, neidisch aufs Land, wo es häufig noch weit mehr als 60 Prozent sind?

Melzer:

Hamburg ist keine unchristliche, wohl aber eine unkirchliche Stadt. Wir müssen gucken, wo Kirche von den Menschen als relevant empfunden wird. Die Notfallseelsorge, die Arbeit in den Krankenhäusern oder diejenige engagierter Gemeinden genießt zum Beispiel hohe Akzeptanz. Wir werden uns dort einmischen, wo Menschen uns brauchen. Ich wünsche mir, dass dieses vielfältige Engagement dann auch breite Unterstützung findet - auch und gerade durch Kirchenmitgliedschaft.

Norderstedter Zeitung:

Anderswo riefen Kirchenkreisfusionen heftige Kritik hervor. Nicht so hier - sind Sie so gut?

Melzer:

Wir haben uns ein sehr aufwendiges Verfahren geleistet. Und uns fast fünf Jahre Zeit genommen. Es war ein anstrengender Prozess. Wenn es uns jetzt gelingt, fast alle mitzunehmen, dann hat sich das alles gelohnt!