Die ehrenamtlichen Helfer haben viel zu tun: An jedem Ausgabetag kommen 120 Männer, Frauen und Familien, um sich Salat, Fleisch und Brot zu holen. Immer seltener reicht das Einkommen für eine ausreichende Ernährung.

Norderstedt. Die Zahl bedürftiger Menschen in Norderstedt und im Kreis Segeberg steigt. "Seit Jahresanfang kommen immer mehr Menschen zu uns und holen sich Lebensmittel ab", sagt Marion Steinvorth von der Norderstedter Tafel, die die Lebensmittelausgabe für Menschen in Not 1996 gegründet hat. Inzwischen hat die Einrichtung, die von ehrenamtlichen Helfern betrieben wird, expandiert: Ausgabestellen gibt es außer in Norderstedt in Langenhorn, in Henstedt-Ulzburg und in Quickborn. Seit der Gründung ist, so Steinvorth, die Zahl der Hilfebedürftigen besonders in Langenhorn und Norderstedt stark gestiegen. 120 Personen werden im Schnitt in Norderstedt regelmäßig versorgt.

"Es wird bei uns ganz deutlich, wen die Wirtschaftskrise trifft, nämlich vor allem Senioren, Alleinerziehende und Familien mit vielen Kindern. Wir sind froh, dass wir diese Personen bei uns zumindest einmal pro Woche mit frischen Lebensmitteln versorgen können", sagt die Tafelgründerin. Die meisten Kunden hätten deutlich weniger als 1000 Euro im Monat zur Verfügung. Wer mehr ausgeben kann, gelte bei den Mitarbeitern der Tafel schon als sehr gut gestellt.

"Ich habe mein Leben lang gearbeitet, und doch reicht meine spärliche Rente jetzt nicht aus. Besonderheiten kann ich mir nicht leisten, ich bin ja schon froh, wenn ich mir mal frisches Fleisch kaufen kann", sagt die 80-jährige Svetlana. Abzüglich der Miete, Strom-, Telefon- und Heizkosten bleiben der gebürtigen Russin nur knapp 500 Euro im Monat. Und davon unterstützt sie noch die Tochter und den Enkelsohn.

Damit gilt die rüstige Seniorin als arm. Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des deutschen Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Das sind bei einem Single 764 Euro, bei einem Alleinerziehenden mit einem Kind 994 Euro, bei einem Paar mit zwei Kindern 1835 Euro pro Monat. Zwar zählt Schleswig-Holstein nicht zu den Bundesländern mit einer hohen Armutsquote. 12,5 Prozent der Schleswig-Holsteiner gelten nach dem aktuellen Armutsbericht des paritätischen Gesamtverbandes Schleswig-Holstein als arm. Das sind zwei Prozent weniger als im Bundesschnitt, das nördlichste Bundesland rangiert hinter den reichen Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Hessen auf Platz vier.

Dennoch nehmen immer mehr Menschen die Unterstützung der Norderstedter Tafel in Anspruch. Nicht nur Svetlana kommt zum Ausgabe-Container am Schützenwall, um sich mit Lebensmitteln für eine Woche einzudecken. "Das ist eine sehr große Hilfe. Ohne diese zusätzlichen Äpfel, Salate, Rüben oder Konserven würde ich nicht satt werden", gibt sie zu. Genau wie die syrische Großfamilie, die mit sechs Kindern kaum genug Geld hat, die Miete zu bezahlen.

Jeden Tag fahren mehrere Fahrer wie Detlev Kutter (60) im Großraum Norderstedt etwa zehn bis zwölf Touren, um Nahrungsmittel unter anderem vom Lebensmittelhändler Rewe einzusammeln. Palettenweise Joghurt, Quark, Butter, oder auch einmal Riesenkartons mit 200 Tüten Kekse muss er schleppen. Schwer sind auch die Kartons, die Tafel-Mitarbeiterin Sylvia Oswald (40) von der Laderampe bei Rewe herunterreichen muss; eine Knochenarbeit wie sie sagt.

"Die Nahrungsmittel werden so sortiert, dass alle Ausgabestellen der Tafel in Norderstedt, Quickborn, Langenhorn und Henstedt-Ulzburg gleich viel bekommen "In Henstedt-Ulzburg werden rund 70 Personen von uns versorgt", so Marion Steinvorth.

Olga (60) kommt seit sieben Jahren zur Tafel in Henstedt-Ulzburg, sie kennt alle Mitarbeiter, die im Bürgerhaus die Lebensmittel ausgeben. "Ich muss jeden Cent dreimal umdrehen, sagt die deutschstämmige Russin. "Wenn ich dann hier bei der Tafel einmal so etwas wie frisches Fleisch oder Joghurt bekomme, dann ist das ein Freudentag", gibt sie zu.

Wer die Hilfe der Tafel benötigt, wendet sich einfach direkt an die Helfer vor Ort. Nachgewiesen werden muss die Hilfsbedürftigkeit entweder mit Sozialschein oder per Verdienstnachweis. Die Hilfsbedürftigen bekommen eine Nummer, die sie berechtigt, an der Ausgabe teilzunehmen. "Viele Menschen kostet der Gang zur Tafel Überwindung. Das ist nicht zu unterschätzen, wenn man weiß, dass man es aus eigener Kraft nicht mehr schafft, sich und seine Familie zu ernähren", sagt Marion Steinvorth. Gut sei es für diese Menschen dann zu sehen, dass sie mit ihrer Not nicht allein dastehen, in der Wirtschaftskrise umso mehr. "Es ist jeden Tag eine Herausforderung, alle Menschen bei den Tafeln satt zu bekommen. Wir hoffen, dass uns das weiter so gut gelingt", sagt Marion Steinvorth.