Egal ob bei Unfällen, Schicksalsschlägen oder Krisen - die Freiwilligen helfen den Opfern oder Hinterbliebenen.

Norderstedt

Das Handy klingelt Sturm. Claudia Milde-George, Gründungsmitglied des Norderstedter Teams für Krisenintervention und Notfallseelsorge (KIT), hat an diesem Abend Bereitschaftsdienst. Sie nimmt einen Anruf der Rettungsleitstelle entgegen. Die schreckliche Nachricht: Ein junger Mann aus Norderstedt hat Selbstmord begangen. Ihre Hilfe wird dringend benötigt.

Zwei Polizeibeamte haben den Eltern die Todesnachricht schon überbracht. Nun treffen Claudia Milde-George und eine Teamkollegin ein. Ihre Aufgabe ist es, den Betroffenen seelischen Beistand anzubieten.

Erste Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz ist ihre innere Stabilität, wenn es um Leben oder Tod geht. "Wir wurden während der Ausbildungszeit auf solche Begegnungen vorbereitet und dürfen keine Befangenheit zeigen", sagt KIT-Mitbegründerin Claudia Milde-George. "Der hohen Verantwortung in diesen und ähnlichen Momenten sind wir uns vollkommen bewusst."

Seit dem schweren Zugunglück in Enschede sei die Krisenintervention in aller Munde, sagt KIT-Koordinator Gunnar Urbach, Pastor der Falkenbergkirche. "Aber unser Team ist schon seit knapp über zehn Jahre im Einsatz und damit eine Idee voraus. Darauf können wir alle stolz sein." Urbach weist darauf hin: "Niemand von uns darf unter dem Blaulicht-Syndrom leiden. Wir sind immer erst Zweiter. Jeder, der meint, die Feuerwehr überholen zu müssen, ist fehl am Platz. Wichtig ist jedoch, dass jeder vom KIT innerhalb von 20 Minuten am Einsatzort ist." Das bedeutet: Wer Bereitschaft hat, darf nicht ins Kino, ins Theater, keinen Ausflug ins Grüne planen.

Und wie sind die Reaktionen der Betroffenen? "Wir fordern keine Dankbarkeit, wir brauchen auch keine Blumen", versichert Maike Trapp, eines von insgesamt 18 aktiven KIT-Mitgliedern. "Manchmal reicht ein freundlicher Blick. Dann freue ich mich und gehe demütig nach Hause."

Inge Frauke-Lück, wie alle aus dem Team ehrenamtlich tätig und während ihres Bereitschaftsdienstes 72 Stunden auf Abruf einsatzbereit, berichtet von einem Notfall, der ihr eine Menge abverlangt hat. Ein Mann war am Heiligabend in seiner Wohnung erstickt, sie kümmerte sich um Frau und Kind. "Wenn man das hinter sich hat, lebt man bewusster und ist dankbar, wenn man am Leben ist und es einem gut geht. Wir sind ein besonderer Kreis", sagt sie.

Pastor Gunnar Urbach berichtet von einem Unglück, als ein Mann vor den Augen seines Sohnes in einem See ertrank; von nächtlichen Bombendrohungen; von Gerüchten, ein Junge aus Norderstedt sei angeblich von seinem Stiefvater ermordet worden.

Er erinnert sich an eine "Windhose" über dem Reitstall Nordpol in Glashütte. "Was machen wir mit den Eltern, was mit den Kindern?", lautete damals die bange Frage. Zum Glück wurden alle gut versorgt, betreut und blieben unverletzt.

"Es ist beruhigend für mich, dass die Zusammenarbeit mit der Leitstelle Holstein, den örtlichen Rettungsdiensten und der Polizei so gut funktioniert", sagt Gunnar Urbach, der in seiner Eigenschaft als Brandmeister auch die ausgezeichneten Kontakte zur Freiwilligen Feuerwehr nutzen kann. Das hat sich besonders bei einem Großbrand in einem Mehrfamilienhaus an der Ulzburger Straße in Norderstedt gut bewährt.

Gleichwohl wünscht sich Gunnar Urbach trotz eines gerade erfolgreich beendeten Ausbildungslehrgangs ein stärkeres Interesse aus der Norderstedter Bevölkerung, dann könnte die Einsatzbereitschaft des Kriseninterventions-Teams noch weiter verbessert werden. Gunnar Urbach: "Wir haben keine Behördenstruktur, wir bieten Erste Hilfe für die Seele."