Schleswig-Holstein will mit einem neuen Staatsvertrag den Glücksspielmarkt liberalisieren - um den Umsatz zu steigern

Kiel. Im Milliardenpoker rund ums Glücksspiel werden die Karten neu gemischt. Nachdem der Europäische Gerichtshof den Glücksspielstaatsvertrag kassiert hat, will Schleswig-Holstein das Staatsmonopol für Sportwetten schleifen. Ziehen die anderen Bundesländer mit, dürfen Bürger legal in Wettbüros und Internet ihr Glück versuchen. Verzockt sich die schwarz-gelbe Koalition, könnte Schleswig-Holstein zum Las Vegas zwischen Nord- und Ostsee werden.

"Wir wollen nicht mehr oder weniger als einen Systemwechsel", sagt der CDU-Abgeordnete Hans-Jörn Arp. Er ist der Motor der Zockeroffensive, warb an der Seite von Boris Becker im Landeshaus für eine Liberalisierung des lukrativen Geschäfts. Es ist bisher fest in den Händen der Länder. Ihre Lottogesellschaften, vereint im Deutschen Lotto- und Totoblock, setzten im vergangenen Jahr stolze 6,72 Milliarden Euro um, vor allem mit klassischen Lotterien wie "6 aus 49".

Am Lotto-Monopol selbst will Arp nicht rütteln, allerdings den Vertrieb wieder für private Anbieter öffnen. Sie sollen Lottoscheine etwa an Tankstellen oder im Internet annehmen dürfen, so den Umsatz steigern. Nutznießer wären die Länder, die gut ein Drittel des Spielumsatzes kassieren, und Unternehmen wie die Jaxx AG aus Flintbek bei Kiel. Sie hatte den florierenden Lottovertrieb aufgrund des 2008 verschärften Glücksspielstaatsvertrags einstellen müssen. "Wir haben Schleswig-Holstein bis dahin mehr als 60 Millionen Euro Steuern und Abgaben eingebracht", berichtet Jaxx-Vorstand Mathias Dahms. "Dafür hätte man uns die Füße küssen müssen, stattdessen wurden wir vom Hof gejagt."

Einen neuen Boom will Arp nicht nur beim Lotto entfachen, sondern vor allem bei den Sportwetten. Sie werden vom Lotto- und Totoblock unter dem Label Oddset vermarktet, sind allerdings ein Sorgenkind. Die Spielumsätze sind stark rückläufig, sanken im vergangenen Jahr bundesweit um gut 11 Prozent auf magere 185 Millionen Euro. "Für die Länder zahlt Oddset sich längst nicht mehr aus", so Arp. Die Staatswette etwa auf Fußballspiele sei nicht attraktiv, habe niedrige Gewinnquoten.

Deutlich mehr Nervenkitzel versprechen Sportwetten im Internet. Sie sind nach Glücksspielrecht illegal, haben inzwischen aber einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent. Angeboten werden sie von Gesellschaften, die etwa in England, Irland oder auf Malta residieren. Die Koalition will die Schattenzocker zurück nach Deutschland holen. Sie sollen eine behördliche Spiellizenz erhalten, Läden für Sportwetten eröffnen und diese im Internet anbieten dürfen. Im Gegenzug führen die Länder eine Sportwettenabgabe ein. Sie soll mehr Geld in die Kassen spülen als Oddset.

Ob die Rechnung aufgeht, ist umstritten. An Schleswig-Holstein führte Oddset im vergangenen Jahr knapp 2,5 Millionen ab, 34 Prozent des Jahresspielumsatzes von 7,2 Millionen Euro. Nach Berechnungen von Nordwestlotto würde die schwarz-gelbe Sportwettenabgabe faktisch nur 1,5 Prozent des Umsatzes betragen. "Damit Schleswig-Holstein dieselben Einnahmen wie bei Oddset erzielt, müssten die Wettumsätze also um mehr als das 20-Fache steigen", warnt der Geschäftsführer von Nordwestlotto, Helmut Stracke.

Unklar ist zudem, ob die Wettfirmen ihre Umsätze wirklich in Deutschland melden würden. Stracke verweist auf die Steueroasen. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hält dagegen. "Wer hier lizenziert wird, muss hier auch Abgaben zahlen." Für Wettfans sei die neue Regelung zudem ein echter Gewinn. Grund: In einem staatlich überwachten Markt sinkt das Risiko, dass Wetten manipuliert werden.

Die Koalition will den Entwurf ihres brisanten Staatsvertrags noch in diesem Jahr in den Landtag einbringen und so den Druck auf die anderen Bundesländer erhöhen. Eine Mehrheit von ihnen hält bisher am Wettmonopol fest, will lieber die Werbung für Traumgewinne und Millionenjackpots weiter einschränken. Kubicki setzt auf eine gemeinsame Lösung, droht aber unverhohlen damit, dass Schleswig-Holstein das Glücksspiel notfalls im Alleingang neu regeln werde. In diesem Fall würde Schleswig-Holstein zum Paradies für Wettfirmen und Zockerbuden.

Schlimmer noch: "Wenn ein Land ausschert, gibt es die Möglichkeit, es aus dem Lotto- und Totoblock auszuschließen", warnt der Sprecher von Nordwestlotto, Klaus Scharrenberg. Die Schleswig-Holsteiner müssten dann ein eigenes, kleines Landeslotto spielen oder aber ihre Tippscheine in Hamburg abgeben, wenn sie den Bundes-Jackpot gewinnen wollen.