Sozialverbände und Gewerkschaften kritisieren Etatentwurf der niedersächsischen Landesregierung. Gespart wird in allen Bereichen.

Hannover. Um die Neuverschuldung zu senken, hat die niedersächsische Landesregierung , wie berichtet, quer durch alle Ressorts den Rotstift angesetzt. Das hat gestern sowohl im Sozial- als auch im Schulbereich zu zum Teil heftigen Reaktionen geführt. Kersten Röhr, Geschäftsführer der Lebenshilfe, kritisierte vor allem die Einsparung von 30 Millionen Euro allein im Bereich der Behindertenhilfe: "Die, die am wenigsten mit der Finanzkrise zu tun hatten und haben, müssen nun die Suppe auslöffeln, die andere eingebrockt haben."

Untragbar nennt die Kürzung auch Adolf Bauer für den größten Sozialverband (SoVD): "Die Situation behinderter und sozial benachteiligter Menschen in Niedersachsen wird immer schlechter." Und der Paritätische Wohlfahrtsverband widersprach ausdrücklich der Einschätzung von Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), die Kürzungen hätten keine Auswirkung auf die Betreuung von Behinderten: "Die Realität sieht anders aus, große Teile der Finanzkrise sollen von den Schwächsten der Gesellschaft getragen werden."

Am Vortag hatte die CDU/FDP-Landesregierung unter dem neuen Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) den Etatentwurf für 2011 verabschiedet, der quer durch alle Ressorts Kürzungen vorsieht. Um wie angekündigt die Neuverschuldung im kommenden Jahr um 350 Millionen auf dann noch 1,95 Milliarden Euro kürzen zu können, sind aber auch Verkaufserlöse für Landesvermögen von 300 Millionen Euro angesetzt. Dies wird von den Oppositionsparteien wie dem Steuerzahlerbund als unrealistisch angesehen.

Wütenden Protest der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat Finanzminister Möllring ausgelöst. Der hatte die Abschaffung der Wasserschutzpolizei im Binnenland gerechtfertigt und sich über überflüssigen "Überwachungsdruck" an selten befahrenen Kanälen lustig gemacht. GdP-Sprecher Dietmar Schilff: "Der Finanzminister bewegt sich wieder einmal jenseits von Anstand und gutem Geschmack, seine Aussagen zeugen von Respektlosigkeit."

Nach Ansicht der GdP wird mit der Reduzierung der Hubschrauberstaffel von fünf auf höchstens drei Helikopter zudem die innere Sicherheit auch im Bereich der Vermisstensuche leiden. Das Innenministerium in Hannover räumte auf Nachfrage ein, dass mit Rastede bei Oldenburg der zweite Standort der Hubschrauberstaffel wohl dichtgemacht wird. Damit würden sich Wartezeiten bis zum Eintreffen des Helikopters vor allem im Nordwesten des Landes deutlich verlängern.

Der Beamtenbund warf Finanzminister Möllring gestern sogar "Wort- und Gesetzesbruch" vor. Er hatte angekündigt, die Einkommenssteigerungen im Öffentlichen Dienst auf ein Prozent zu begrenzen. "Die Landesregierung verdrängt, dass die Anpassung der Entgelte Tarifverhandlungen vorbehalten ist", so die Gewerkschaft.

Mit Spannung wird die für heute angesetzte Pressekonferenz von Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) zum Auftakt des neuen Schuljahres erwartet. Er muss allein im Schulbereich 75 Millionen Euro einsparen. Das entspricht über 1000 Lehrstellen und soll dadurch realisiert werden, dass Ersatzeinstellungen bei Pensionierungen mit Verzögerung erfolgen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnt deshalb genauso wie der Philologenverband vor Unterrichtsausfall, zumal jetzt der doppelte Abiturjahrgang anstehe. Horst Audritz, Chef der Vertretung der Gymnasiallehrer: "Wir stehen wegen des Doppeljahrgangs vor einem der schwierigsten Schuljahre der letzten Jahrzehnte."