Eltern, Lehrer, Polizisten und Klinikpersonal wollen Kieler Streichliste nicht hinnehmen

Kiel. Für Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und seine schwarz-gelbe Regierung schlägt die Schicksalsstunde. In zwei Wochen wollen CDU und FDP das größte Sparprogramm in der Geschichte Schleswig-Holsteins vorlegen. Die Protestwelle lief bereits gestern an und könnte sich angesichts der radikalen Kürzungspläne in vielen Bereichen zu einem Volksaufstand entwickeln.

"Wir wollen nicht wie Griechenland werden", betonte Carstensen. "Zum Sparkurs gibt es keine Alternative." In den landesweit 1600 Kitas sieht man das anders. Vor vielen wehten gestern Protestbanner: "Kürzt den Kindern nicht die Zukunft. Uns reicht's."

Am Mittwoch kommender Woche wollen Kita-Kinder, Eltern und Erzieher vor dem Landeshaus demonstrieren und Carstensen mehrere Tausend Protestnoten übergeben. "Ich gehe davon aus, dass der Landesvater den Kindern in die Augen schaut", sagte der Vorsitzende der Landeselternvertretung, Andreas Henschel.

Hinter dem Aufstand stehen die Träger der Kitas, neben den mächtigen Kirchen die großen Wohlfahrtsverbände. "Das Land spart schon seit Jahren an den Kitas", sagte Landes-Caritas-Direktor Georg Falterbaum. Er befürchtet, dass CDU und FDP das gebührenfreie dritte Kita-Jahr streichen, mehr Kinder je Gruppe erlauben und die Landeszuschüsse weiter einfrieren. Die Elternbeiträge, die in Schleswig-Holstein schon heute höher sind als in den meisten anderen Bundesländern, dürften damit weiter steigen.

Mit den Kita-Protesten ist es nicht getan. Am 25. Mai wollen CDU und FDP die Sparvorschläge der Haushaltsstrukturkommission intern beraten, am Tag drauf soll das Kabinett die lange Streichliste beschließen. "Es wird sehr schlimm", sagte der Präsident des Landesrechnungshofs, Aloys Altmann, dem Abendblatt. Er erwartet Massenproteste. "Vor dem Landeshaus werden gar nicht alle Platz haben." Details wollte Altmann nicht preisgeben. Er sei nur Berater der Haushaltsstrukturkommission.

Klar ist, dass die Sparaktion viele Bürger direkt treffen wird. Die mehr als 6000 Polizeibeamten sollen später in Pension gehen und haben für diesen Fall schon Proteste angekündigt. Das gleiche gilt für die Blindenverbände, die sich gegen eine Kürzung des Landesblindengeldes wehren. Gewehr bei Fuß stehen auch die 10 000 Beschäftigten des Uni-Klinikums in Kiel und Lübeck, die eine Privatisierung der Klinika fürchten. Proteste drohen auch aus Flensburg, das um seine Uni und um sein Gefängnis kämpft. Auf den Barrikaden sind bereits die Behindertenverbände, die Mitarbeiter von Sparkassen und nicht zuletzt die Lehrer. Sie wollen am 3. Juni streiken und so die geplante Arbeitszeitverlängerung verhindern.

Schützenhilfe bekommt die Protestbewegung von der Opposition im Landtag, insbesondere von der SPD. Ihr angeschlagener Partei- und Fraktionschef Ralf Stegner lässt kaum eine Gelegenheit aus, um die Sparpolitik zu geißeln. "Schwarz-Gelb macht Politik gegen die Menschen."

Aus demselben Rohr schießt die Linkspartei. Etwas Unterstützung bekommen CDU und FDP nur von den Grünen. Sie halten den Sparkurs für notwendig, stellten sich aber wie die SPD sofort hinter die Kita-Proteste.

Carstensen hat derweil auf stur geschaltet. Der Ministerpräsident begründet die rigorosen Sparpläne mit der Schuldenbremse. Sie verpflichtet Schleswig-Holstein, sein strukturelles Defizit von 1,25 Milliarden Euro im Jahr bis 2020 schrittweise auf Null zu reduzieren.

Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass mit den schwarz-gelben Plänen das Sparsoll für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 (mindestens 250 Millionen Euro) erbracht werden kann. "Danach wird es Jahr für Jahr schwieriger", sagte Altmann. "Schleswig-Holstein steht nicht am Ende der Spardebatte, sondern erst am Anfang."