Einmal im Jahr führen alle Wege nach Kiel. In der Kieler Woche bietet die kleine Landeshauptstadt mehr Kultur als New York, mehr Segelsport als Olympia und insgesamt eine der größten Partys der Welt.

Kiel. Von Sonnabend an locken 1700 Veranstaltungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft - mehr als je zuvor. "Wir stellen während der Kieler Woche alle anderen Städte in den Schatten, auch Hamburg", schwärmt Kiels neuer Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) im Gespräch mit dem Abendblatt.

Die kommende Woche (20. bis 28. Juni) ist mit 1700 Einzelveranstaltungen auf dem Land, zu Wasser und in der Luft größer als jemals zuvor. Am bewährten Mix aus Pop und Politik, Segelsport und Spiellinie, Vorträgen und Fressmarkt wurde festgehalten.

Albig erwartet, je nach Wetter, zwischen drei und vier Millionen Besucher in Kiel (237 000 Einwohner). Besonders dicht dürfte das Gedränge bei den drei traditionellen "Highlights" des "Kieler Karnevals" werden: bei der Eröffnung am Sonnabend, wenn Schwimmstar Franziska van Almsick die Woche eröffnet und das Schiffshorn das Kommando "Leinen los" (lang-kurz-kurz-lang) gibt, am Sonnabend in einer Woche bei der Parade von mehr als 100 Windjammern auf der Förde mit dem Segelschulschiff "Gorch Fock" an der Spitze und beim Abschluss der Woche am Sonntag, wenn das Höhenfeuerwerk über der Hörn, dem Endstück der Förde, gezündet wird.

Die 100 Spiellinien-Helfer an der Krusenkoppel wollen diesmal mit den Kindern aus Stoff, Holz und Farben eine Kulisse für "Peterchens Mondfahrt" bauen. Ob Albigs Tochter Hanna (11) mitbastelt, wird sich noch zeigen. Sein Sohn Jan-Henrik (17) ist der Spiellinie entwachsen.

Für Schüler und Jugendliche hat die Kieler Woche andere Reize. Auf 18 Bühnen gibt es Livemusik. Mehr als 300 Konzerte von Klassik bis Punkrock sind angesetzt - fast alle unter freiem Himmel und meist kostenlos.

Der Kai ist für Kreuzfahrtschiffe reserviert. Erwartet werden in der Festwoche acht Traumschiffe, darunter die riesige "Eurodam" (86 000 BRZ).

Auch sonst bleibt an und auf der Hörn kein Platz frei. Gut 120 Traditionssegler und Oldtimer haben sich angemeldet, darunter der Schaufelraddampfer "Louisiana Star" aus Hamburg. Längst belegt sind auch die 2200 Liegeplätze in den neun Kieler Sportboothäfen. Hoch am Wind gesegelt wird in der Kieler Woche aber nicht auf der Hörn, sondern auf elf Bahnen der Außenförde vor Schilksee. Das Regattafeld, 4500 Segler aus 50 Nationen in 2000 Booten, macht die Kieler Woche zum größten Segelsportereignis der Welt. Verfolgen kann man die Wettfahrten auf Begleitschiffen oder auf einer Videowand in der Kieler City.

Für Computerfreaks gibt es eine Premiere: Sie können erstmals am PC um den Kieler-Woche-Sieg segeln. Der Gewinner der virtuellen Regatta darf in Schilksee echte Seeluft schnuppern.

Auf ihre Kosten kommen auch Marinefans. Im Tirpitzhafen, dem Marinestützpunkt, werden 30 Kriegsschiffe mit 3000 Soldaten erwartet, darunter die deutsche Fregatte "Karlsruhe", der US-Zerstörer "Forrest Sherman" und das russische Landungsschiff "Kaliningrad". Die "grauen Pötte" sollen Freitag einlaufen und können an den beiden folgenden Tagen ("open ship") besichtigt werden.

Im Festprogramm finden sich weitere Klassiker. Auf dem internationalen Markt vor dem Rathaus servieren 31 Länder (von Argentinien bis Ungarn) Nationalspeisen und -getränke. Auf dem Nordmarksportfeld steigen im Rahmen der "Balloon Sail" Heißluftballons auf. Viele Museen zeigen Sonderausstellungen, die Stadtgalerie Filme aus der Antarktis. Wissenschaft und Politik sind ebenfalls dabei, etwa bei einem Städteforum. Dazu hat Kiel Vertreter aus 60 Ländern eingeladen. Thema ist der Klimaschutz.

Die Feststimmung ist allerdings nicht ungetrübt. Hotels und Ausflugsdampfer sind schlechter gebucht als in den Vorjahren, weil Unternehmen in der Wirtschaftskrise bei Betriebsausflügen sparen. Hinzu kommen Probleme bei einigen Kieler Firmen, der Werft Lindenau oder den zwei Karstadt-Häusern in der Stadt. "Das können wir nicht wegfeiern", sagt Albig.

Gefahr droht auch der Kieler Woche selbst, weil in den nächsten Jahren bei den Großsponsoren wie etwa der Not leidenden HSH Nordbank das Geld nicht mehr so locker sitzen dürfte.

"Ich werde mir die Verträge anschauen", verspricht der Oberbürgermeister. Klar ist, dass Kiel ohne seine Woche nur eine von vielen Provinzstädten wäre. Albig formuliert es freundlicher: "Von der Kieler Woche zehren wir Kieler die restlichen Wochen im Jahr."