Die Polizei fasste den 24-jährigen Täter kurz nach der tödlichen Prügelei am S-Bahnhof, bei der ein 44-jähriger Familienvater gestorben war.

Rostock. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hat nach der tödlichen Attacke am S-Bahnhof Rostock-Warnemünde eine schnelle Verurteilung der Schläger gefordert. Den Tätern müsse rasch der Prozess gemacht werden, sagte Caffier in einem Interview mit der Rostocker "Ostsee-Zeitung“ und der "Leipziger Volkszeitung“ am Sonnabend. Die Strafen, die verhängt werden, sollten auch stärker das Leid der Opfer im Blick haben, ergänzte Caffier. Das Amtsgericht Rostock hatte am Freitag Haftbefehl gegen einen 24-jährigen Rostocker erlassen, der als Haupttäter gilt.

Ein 44 Jahre alter Mann war zu Himmelfahrt bei dem brutalen Angriff auf dem belebten S-Bahnhof ums Leben gekommen. Es war zum Streit um einen Bollerwagen und zu einer Schlägerei zwischen zwei Herrentagsgruppen gekommen. Dabei soll der 24-Jährige dem Opfer von hinten einen schweren Faustschlag versetzt haben. Der Attackierte wurde an der Halsschlagader verletzt und erlitt eine Hirnblutung. Die Rettungskräfte konnten den Mann aus dem Landkreis Bad Doberan zwar wiederbeleben, er starb aber später auf dem Weg ins Krankenhaus.

Eine Überwachungskamera filmte den Vorfall. Die Polizei hatte wenige Stunden danach drei Tatverdächtige gefasst, von denen zwei wieder freigelassen wurden. Das Opfer hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Ob der in U-Haft sitzende 24-Jährige die Tat bei der Vernehmung einräumte, blieb unklar.

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Es ist wieder passiert. Wieder so ein Fall von sinnloser Gewalt. Wieder einmal spielte Alkohol eine Rolle, wieder einmal waren die Täter jung, wieder einmal war der Tatort ein Bahnhof. Und wieder einmal hatte ein nichtiger Streit einen Gewaltexzess mit tödlichem Ausgang provoziert.

Bahnhof Rostock-Warnemünde, gegen 16 Uhr am Himmelfahrtstag. Knut H., 44, wartet an Bahnsteig 3 auf den Zug. Am sogenannten Herrentag ist auch er mit ein paar Freunden und einem Bollerwagen unterwegs. Nüchtern ist am Nachmittag niemand mehr.

Plötzlich nähert sich eine Gruppe junger Männer. Auch sie sind betrunken und haben einen Einkaufswagen mit Getränken und Proviant dabei. Sofort rasseln die beiden Gruppen aufeinander. Wer hat den schöneren Wagen? Erst fliegen Worte, dann Fäuste. Doch der erste Akt der sinnlosen "Herrentags"-Schlägerei endet für alle Beteiligten lediglich mit ein paar Schrammen.

24-Jähriger konnte nicht aufhören

Für einen 24-Jährigen ist die Schlägerei aber noch nicht vorbei. Von hinten versetzt er Knut H. einen wuchtigen Faustschlag gegen den Hals. Sofort stürzt der 44-Jährige zu Boden, die jungen Männer flüchten. Rettungskräften gelingt es noch, Knut H. zu reanimieren. Doch auf dem Weg ins Krankenhaus verschlechtert sich sein Zustand abrupt - er stirbt an einer Verletzung der Halsschlagader, die eine Hirnblutung verursacht hat.

Mit den Bildern der Überwachungskameras fahndet die Polizei nach den Tatverdächtigen. Nur drei Stunden später nimmt eine Streife drei Männer fest. Gegen den 24-jährigen wird am Freitag Haftbefehl wegen Totschlags erlassen. "Er ist polizeilich bekannt, aber nicht vorbestraft", sagt Polizeisprecher Volker Werner. Seine 29 und 23 Jahre alten Begleiter bleiben auf freiem Fuß. Nach Angaben der Rostocker Staatsanwaltschaft bestehe kein Tötungsverdacht.

Nach der tödlichen Prügelattacke zeigte sich der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), schockiert. "Solche Vorfälle dürfen sich nicht als üblich oder nicht zu verhindern in unser Wertesystem einschleichen. In unserem christlich geprägten Werteverständnis ist das Leben das höchste Gut."

Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stephan Mayer, forderte ein Alkoholverbot im Nahverkehr. Solche schrecklichen Übergriffe würden mehrheitlich im alkoholisierten Zustand begangen, so Mayer. Ähnlich äußerte sich der Vize-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders. Oft ereigneten sich solche Taten "in einer Mischung aus Alkohol und deplatziertem Frohsinn, der in exzessive Gewalt umschlägt". Neben mehr Polizei- und Sicherheitspersonal sei eine härtere Bestrafung von Gewalttätern längst überfällig, sagte Lenders.

Kriminalpsychologe: Eine kleine Gruppe junger Männer ist völlig hemmungslos

Der Fall Brunner in München, der Fall Elias in Hamburg - immer wieder werden Bahnhöfe zum Schauplatz von - mitunter tödlichen - Gewaltexzessen. Dabei seien die "Jugendlichen von heute" keineswegs roher als vor 40 Jahren, sagt der Wiesbadener Kriminalpsychologe Rudolf Egg. "Nur scheint es eine sehr kleine Gruppe von Jugendlichen zu geben, für die Grenzen der Gewalt nicht existent sind."

Was das bedeutet, musste der Hamburger Artur G. am eigenen Leib erfahren. In der Silvesternacht hatte der 43-Jährige am S-Bahnhof Veddel einen Rentner beschützt, der von drei jungen Männern bepöbelt wurde. Doch für seine Zivilcourage zahlte Artur G. einen hohen Preis. Die Täter, zwischen 22 und 24 Jahre alt, schlugen auf ihn ein, traten mehrfach gegen seinen Kopf. Artur G. kam mit Schädelprellungen und Schürfwunden davon, er leide aber noch immer unter den Folgen der Tat, unter "Krämpfen, Albträumen und Migräneanfällen", sagt er. "Wenn Besuch nach Hamburg kommt, rate ich inzwischen davon ab, die Bahn zu benutzen."

Mit Material von dpa