Zur Verbrennung gelieferte Fässer toxischer als deklariert. Teilweise keine Genehmigungen. Staatsanwaltschaft ermittelt.

Brunsbüttel/Lübeck. Rund 1360 Tonnen Giftmüll aus der Ukraine sollen zum Teil illegal nach Schleswig-Holstein geliefert worden sein. Das geht aus einem Bericht des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums hervor, der dem Abendblatt vorliegt. Die toxischen Chemikalien wurden teilweise auf dafür nicht genehmigten Flächen gelagert. Nachdem sich mehrmals Fässer selbst entzündet hatten, ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft Itzehoe.

Die Vorwürfe richten sich unter anderem gegen die SAVA, eine Tochter des Entsorgungsunternehmens Remondis, die in Brunsbüttel eine der modernsten Verbrennungsanlagen für Sonderabfälle betreibt. Im Oktober 2010 hatte das ukrainische National Center for Hazardous Waste Management bei der schleswig-holsteinischen "Gesellschaft für die Organisation der Entsorgung von Sonderabfällen" beantragt, insgesamt 3000 Tonnen Pestizide und andere chemische Abfälle aus der Landwirtschaft bei der SAVA in Brunsbüttel entsorgen zu dürfen. Der Antrag wurde genehmigt, die Lieferung sollte zwischen November 2010 und November 2011 erfolgen. Die Genehmigung bezog sich jedoch auf "feste Stoffe ohne Nebengefahren, nicht entzündbar, nicht selbst erhitzungsfähig".

Zwischen 6. Dezember 2010 und 14. Januar 2011 fuhren die ersten 63 Lastwagen mit Giftmüll nach Brunsbüttel und sieben weitere nach Lübeck, wo Remondis ein Zwischenlager für Sonderabfälle betreibt. Bei einem großen Teil der Transporte kam es laut Umweltministerium zu Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung. So seien alle Lieferungen zur SAVA nach Brunsbüttel den Behörden zu spät gemeldet worden, manche sogar gar nicht. Teilweise hätten nicht einmal Genehmigungen vorgelegen. Einer der Transporte blieb mit der giftigen Fracht wegen eines Fahrzeugschadens liegen und traf erst Tage später ein. Insgesamt gelangten so 1234 Tonnen Giftmüll zur SAVA nach Brunsbüttel und 132 Tonnen in das Lübecker Zwischenlager. Zumindest die SAVA war schnell mit der Lagerung überfordert. Mehr als zwölf Tonnen Sonderabfall kann sie pro Tag ohnehin nicht verbrennen. Doch wegen des unerwartet hohen Anteils von Schwefel und Quecksilber in den Fässern schaffte die SAVA manchmal sogar nur fünf Tonnen. Bald stapelten sich die Fässer mit dem ukrainischen Chemiemüll überall. Am 9. Januar entzündete sich eines der Fässer in Lübeck von selbst und löste Alarm aus. Eine Woche später geschah dasselbe in Brunsbüttel, am 31. März ein weiteres Mal in Lübeck.

Nach dem ersten Brand wurden die Behörden alarmiert, das Kieler Landesamt für Landwirtschaft und Umwelt schickte Prüfer nach Brunsbüttel. Dabei kam heraus, wie massiv beim Umgang mit dem Gift aus der Ukraine geschlampt worden war. Die angekündigten Daten und Mengen stimmten nicht mit den tatsächlichen Transporten überein, zum Teil wurden Stoffe angeliefert, die nie genehmigt worden waren. "Die Ukraine hat zu viel und falsch geliefert. Aber wir konnten die Fässer nicht einfach zurückschicken, der Transport war wegen des Winterwetters zu riskant", sagte Michael Schneider von Remondis zum Abendblatt.

Das sahen die Behörden ähnlich. Sie gestatteten im Nachhinein die Lagerung der Fässer im Freien und auf anderen nicht genehmigten Flächen. Von einem "weiteren Transport der Fässer wurde dringend abgeraten", heißt es in dem Bericht des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums. Zum Schutz vor weiteren Selbstentzündungen installierte die SAVA Kameras und stellte Brandwachen auf. Mittlerweile ist der sorglose Umgang mit dem Giftmüll zum Fall für die Staatsanwaltschaft geworden. "Die SAVA hätte den Stoff gar nicht erst annehmen dürfen", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Zepter. Eine "Schwachstellenanalyse" des Umweltministeriums belegt, wie sorglos mit dem Müll umgegangen wurde. So war der Zoll an der ukrainisch-polnischen Grenze nicht über die einzelnen Transporte informiert und ließ die Fracht trotz "mangelhafter Begleitpapiere" passieren. Die Hauptschuld trägt laut Umweltministerium aber die Ukraine. "Die Zusammensetzung der Stoffe und die Lieferungen stimmten nicht mit den Angaben überein", so Sprecher Christian Seyfert. Das Ministerium will dafür sorgen, dass giftige Abfälle in den Versandstaaten außerhalb der EU ausschließlich unter Aufsicht des Entsorgungsunternehmens abgefüllt werden.