Eine Serie von schweren Bränden hielt die Feuerwehr auf Sylt in Atem. Hunderte Menschen verbrachten die Nacht in einem Flugzeughangar.

Sylt. Kaum einer auf der Insel mag an einen Zufall glauben: Innerhalb von nur vier Stunden hat es in der Nacht zu Montag auf Sylt eine Serie schwerer Brände gegeben. Für die zehn freiwilligen Feuerwehren zwischen Hörnum und List war es eine der turbulentesten Nächte der vergangenen Jahrzehnte. Eine Berufsfeuerwehr gibt es nicht.

Petra Reiber, Bürgermeisterin der Gemeinde Sylt, vermutet Brandstifter hinter der Serie: "Wir haben fünf Brandorte mit insgesamt elf Brandherden."

Bereits in der vergangenen Woche hatte es ein Feuer auf der Urlaubsinsel gegeben. 60 Menschen hatten ein Apartmenthaus in Westerland verlassen müssen. Auch die Polizei geht davon aus, dass es sich nicht um eine zufällige Häufung handelt.

+++ Spektakuläre Bilder der Löscharbeiten auf Sylt +++

Es hatte am Sonntagabend geblitzt und gedonnert auf der Nordseeinsel - doch das war nicht die Ursache für die Feuer. Vielmehr vermuten die Brandermittler nach einer ersten Besichtigung der Schadensorte, dass die Brände mutwillig gelegt wurden - von wem auch immer.

Kurz nach Mitternacht hatte die unheimliche Serie begonnen. Vor dem Awo-Seniorenheim in Westerland standen mehrere Mülltonnen in Flammen. Ein kleiner Routineeinsatz.

Aus Wenningstedt traf da jedoch bereits der nächste Alarm ein. Es brenne im Vier-Sterne-Hotel Windrose am Strand. Das Haus müsste evakuiert werden. Ein weitaus größerer Einsatz, zu dem nun mehr als eine der zehn Freiwilligen Feuerwehren der Insel ausrückte. Der Einsatzleiter am Hotel entschloss sich, das Gästehaus vollständig zu räumen. 200 Urlauber wurden, sofern sie nicht ohnehin von Hektik und Blaulicht aus dem Schlaf gerissen worden waren, geweckt und mit Bussen zum ehemaligen Marinestützpunkt gebracht, wo sie die folgenden Stunden in einem Hangar verbrachten - nicht bequem, wenigstens aber in Sicherheit. Einer von ihnen war Prof. Dr. Heimo Reinitzer, Präsident der Akademie der Wissenschaften. Er war mit seiner Familie in dem Hotel, wollte eigentlich bis zum heutigen Dienstag bleiben. Reinitzer: "Um 1.30 Uhr wurden wir geweckt. Es hieß, wir sollten unmittelbar das Haus verlassen. Wir ließen alles Gepäck im Hotel, werden jetzt früher nach Hause fahren. Alle Unterkünfte auf Sylt sind voll belegt." Wann die Zimmer wieder zu benutzen sind, ist nicht bekannt.

Während der Löscharbeiten entdeckten Passanten ein weiteres Feuer: 100 Meter vom Hotel entfernt schlugen Flammen aus dem Lagerschuppen eines Restaurants.

Eine knappe Stunde später gingen erneut Anrufe aus Wenningstedt ein. Zwei Container brannten. Und: Um 2.31 Uhr gab es gleich noch einen Alarm. Diesmal meldeten sich Gäste der "Akademie am Meer", eines Schulungszentrums im Dünenbereich zwischen Kampen und List. "Wir haben zwei Gebäude verloren", berichtet Wehrführer Andreas Fließ. Ein Wirtschaftgebäude und der Speisesaal brannten komplett nieder. Hier mussten ebenfalls fast 200 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Sie gesellten sich zu den Gästen des Windrose-Hotels, die jetzt im Flugzeughangar saßen.

Während die übrigen Feuer der Nacht meist schnell unter Kontrolle waren, hatten die Löschkräfte an der Akademie mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Brand versperrte ihnen zunächst den Zugang zur Wasserentnahmestelle. Der nächste Zugang war eineinhalb Kilometer entfernt. Gegen drei Uhr - die bis zu 150 freiwilligen Löschkräfte hatten bereits mehrere Stunden Arbeit in Armen und Beinen - ging dann wieder ein Alarm aus dem Awo-Seniorenheim in Westerland ein, dem Heim, vor dem zunächst gegen Mitternacht Mülltonnen gebrannt hatten. Hier erlitt ein Mitarbeiter eine Rauchvergiftung. Erneut eineinhalb Stunden später züngelten Flammen aus einem Müllcontainer in Wenningstedt.

Die Betreuung der Urlauber in der Notunterkunft hatte inzwischen das Rote Kreuz übernommen. Für Familien mit Kindern stellten die Helfer im Hangar eigene Zelte auf.

Bei aller Aufregung, die die Brandserie hervorrief, gibt es auch eine gute Nachricht: Schon kurz nach Bekanntwerden der Feuer rollte eine Welle der Hilfsbereitschaft für die Betroffenen an. Bäcker versorgten die Menschen, die nach den Feuern ihre Unterkünfte verlassen mussten, mit Brötchen. Geschäftsinhaber brachten Spielzeug und Kuscheltiere für die Kinder der Feriengäste. Sie hatten sie in der Nacht aus ihren Läden geholt.

Bereits gestern Nachmittag konnten die meisten Betroffenen in ihre oder andere Unterkünfte umziehen. Die Gäste des Hotels Windrose holten ihre Habseligkeiten mit Schutzmasken aus den Zimmern.

Wer hinter den Bränden steckt und ob es sich in allen Fällen um Brandstiftung handelt, ist laut der Husumer Polizeisprecherin Kristin Stieler völlig unklar. Sollte sich die Serie allerdings fortsetzen, müssen die Sylter Feuerwehren mit noch weniger Material als bisher auskommen: In der Brandnacht wurde ein Fahrzeug der Feuerwehr Tinnum in einen Unfall verwickelt. Drei Menschen verletzten sich, der Wagen ist Schrott.