Innenministerium verbietet die Bandidos in Neumünster und die Hells Angels in Flensburg. Das Vermögen der Clubs wurde beschlagnahmt.

Kiel. Ein Bild, das Bände spricht: Vermummte SEK-Beamte, bewaffnet mit Akku-Schraubern, demontieren ein Sperrholzschild am weiß getünchten Vereinsheim an der Flensburger Batteriestraße. "Hells Angels MC Flensburg" steht darauf in großen Lettern.

Seit Sommer 2008 residierte hier am "Angels Place" das wohl mächtigste Charter der Höllenengel in Schleswig-Holstein. Seit Donnerstag darf sich hier kein Hells Angel mehr sehen lassen.

Den zwölf Rockern, denen am frühen Morgen die Verbotsverfügungen überreicht wurden - nicht durch die Post, sondern durch schwer bewaffnete Polizisten - ist ab sofort untersagt, als Mitglieder des Vereins Hells Angels MC Charter Flensburg aufzutreten.

Sie dürfen ihre Kutten nicht mehr tragen, ihr Vereinslogo ist verboten. Sie dürfen ihren Verein nicht unter neuem Namen wiedereröffnen.

Das gleiche Bild knapp 100 Kilometer weiter südlich: An der Kummerfelder Straße in Neumünster reißen Polizisten ein robustes Schild aus dem Boden. Darauf ist ein mexikanischer Bandit mit Machete und Revolver zu sehen. Bis Donnerstagmorgen, 7 Uhr, war hier in einem großen Einfamilienhaus der Verein Bandidos MC Probationary Chapter Neumünster gemeldet.

Die Polizei hat den "Brückenkopf" der Bandidos im Norden gesprengt, mit deren Erscheinen im Frühjahr 2009 ein wahrer Rockerkrieg begann. Für die 17 Members gelten die gleichen Auflagen wie für ihre Rockerkollegen.

Innenminister Klaus Schlie (CDU) hat die Notbremse gezogen. Am Donnerstag verfügte er ein Verbot beider Motorradclubs (MC), die sich in den blutigen Auseinandersetzungen der letzten Monate besonders hervorgetan hatten. Er folgt damit dem Beispiel Hamburgs, wo die Hells Angels seit Oktober 1983 verboten sind.

Am liebsten hätte Schlie wohl das Verbot aller Ortsgruppen verkündet. Doch noch steht das rechtliche Konstrukt auf schwankendem Boden. Noch sind die Ermittlungen nicht so weit wie in Flensburg und Neumünster, wo die Beweislage für sich spricht.

"Es handelt sich nicht um harmlose Motorradclubs, deren Mitglieder sich zu friedlichen Wochenendausflügen treffen", sagte Schlie. Der Motorrad fahrende unbescholtene freiheitsliebende Familienvater sei eine Legende. Tatsächlich wollten beide Vereine, "kriminelle Macht entfalten und die Gebietsansprüche gegen den anderen Verein mit Waffengewalt durchsetzen".

Erst am Mittwoch war der Vizechef der Bandidos verhaftet worden, nachdem er zwei Rocker niedergestochen hatte. Zuvor hatte der Chef der Flensburger Hells Angels einen Bandido auf der Autobahn angefahren.

Gegen zahlreiche weitere Members laufen Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Waffengesetzverstößen oder Nötigung. Taten, die sichtbar "Aktivitäten der Vereine" seien, die damit gegen die Strafgesetze verstießen, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten.

Ministeriumsjuristin Manuela Söller-Winkler hält die Verbote für rechtssicher, da den Mitgliedern beider Gruppen besonders viele Straftaten zur Last gelegt werden. "Sie haben im Namen und unter der schützenden Hand der Vereine Straftaten begangen." Entscheidend sei dabei nicht, ob jedes einzelne Vereinsmitglied kriminell sei. Auf Nachfrage räumte sie allerdings ein, dass es bisher nur Vorwürfe und Ermittlungen gegen Mitglieder gebe, aber noch keinen Schuldspruch.

Das Verbot vom Donnerstag kam unerwartet. Eingeweiht war nur ein kleiner Kreis. Einsatzbesprechung war um 4 Uhr morgens. Drei Stunden später schwärmten 330 Polizisten aus, durchsuchten Vereinsheime und Wohnungen. Sie beschlagnahmten die Vereinsvermögen, 20 Kutten, Munition und zahlreiche Devotionalien.

"Die Überraschung ist gut gelungen", sagt Einsatzleiter Joachim Gutt. "Es gab blankes Entsetzen." Keiner der Rocker wehrte sich.

Im Kieler Landeshaus wurde das Verbot parteiübergreifend begrüßt. Die SPD forderte sogar, "alle kriminellen Rockerbanden mit ihren Einzelgruppierungen" zu verbieten. Schlie selbst strahlte auf der am Nachmittag anberaumten Pressekonferenz. Der gelernte Realschullehrer aus Mölln ist seit Herbst Minister, hat bislang aber kaum Erfolge feiern können. In der CDU gehört der Law-and-Order-Mann zum konservativen Flügel.

Die Frage ist: Was bleibt? Die beiden Hells-Angels-Charter in Kiel und Lübeck sowie das in Alveslohe (Kreis Segeberg), einer Ausgründung der verbotenen Hamburger Gruppe, sind von der Verfügung unberührt. Auch wenn, so Schlie, über ihnen das "Damoklesschwert" des Verbots schwebe. Ausgenommen sind auch die Supporterclubs: die Red Devils auf Hells-Angels-Seite und die den Bandidos nahe stehenden Contras.

Und: Die Flensburger Hells Angels könnten sich jetzt gefahrlos einem der anderen Klubs anschließen. Die Bandidos sind da weniger privilegiert: Sie unterhalten kein weiteres Chapter in Schleswig-Holstein.

Die Hells Angels werden ihre Übermacht wohl dazu nutzen, Zustände wie vor einem Jahr zu schaffen. Da war Schleswig-Holstein bekanntermaßen Hells-Angels-Land.

Schlie warnte vor überzogenen Erwartungen: "Wir können trotz der Vereinsverbote nicht ausschließen, dass es weiter gewalttätige Auseinandersetzungen im kriminellen Rockermilieu geben wird." Mit der Verfügung im Rücken könne die Polizei allerdings rigoros durchgreifen, sollte das Verbot nur ansatzweise infrage gestellt werden. Die Polizei bleibe bei ihrer "Null-Toleranz-Strategie".

Der Sprecher der Hells Angels Germany, Django, kündigte am Donnerstag an, gegen das Verbot rechtlich vorgehen zu wollen. "Wir sind meilenweit davon entfernt, verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen. Das ist kompletter, hanebüchener Unsinn."