Spektakuläre Korrektur: Die FDP verliert einen Sitz im Landtag, die Linkspartei gewinnt einen. Die schwarz-gelbe Mehrheit schrumpft.

Kiel. Für Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) wird es eng. Nach einer spektakulären Korrektur des Wahlergebnisses in einem Husumer Ortsteil ist die schwarz-gelbe Mehrheit im Landtag auf eine Stimme geschrumpft. Die gestärkte Opposition läutete schon Totenglocken für das CDU/FDP-Bündnis, dem weitere Mandatsverluste drohen.

Carstensen versuchte, den Schaden zu begrenzen. "Eine Mehrheit von einer Stimme ist in Schleswig-Holstein nichts Neues." Die CDU habe von 1975 bis 1983 mit der denkbar knappsten Mehrheit erfolgreich regiert. Der Ministerpräsident kündigte zugleich an, dass die Regierung ihren Kurs beibehalte. Demnach müsste Carstensen seine radikalen Sparpläne Ende des Jahres im Landtag durchsetzen.

Die Hiobsbotschaft vom Machtverfall erreichte Carstensen am Freitagmittag aus dem Landeshaus, wo der Landeswahlausschuss die 928 rosa Stimmzettel aus dem Wahlbezirk Husum 3 mehrfach nachzählte. Das Ergebnis: Die ehrenamtlichen Helfer in Husum hatten bei der Landtagswahl vor vier Monaten einen Stapel mit 32 Stimmen für die Linkspartei nicht mitgezählt und ihr so statt 41 Zweitstimmen nur neun gutgeschrieben.

Der kleine Irrtum hat große Folgen, weil der Linkspartei im Kampf mit der FDP um das 95. und letzte Landtagsmandat nur vier Stimmen fehlten. Parlamentspräsident Torsten Geerdts (CDU) reagierte sofort. Am Donnerstagabend will er die FDP-Abgeordnete Christina Musculus-Stahnke (47) aus dem Landtag verabschieden, am Freitagmorgen den Linkspolitiker Björn Thoroe (25) vereidigen. Die schwarz-gelbe Mehrheit (49 zu 46) schmilzt so auf ein Mandat (48 zu 47).

Die Opposition frohlockte. "Die schwarz-gelbe Regierung bewegt sich jetzt auf sehr dünnem Eis", sagte die Landesvorsitzende der Grünen, Marlene Löhr. Carstensen und FDP-Vormann Wolfgang Kubicki müssten ihre Fraktionen in Zukunft eisern geschlossen halten. Die SPD schlug in dieselbe Kerbe. Für Schwarz-Gelb werde das Regieren noch schwieriger, prophezeite Oppositionsführer Ralf Stegner. "Die Regierung hatte schon bisher nicht die Kraft zu klaren und mutigen Vorhaben und wird nun absehbar noch hinfälliger werden."

CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher wischte solche Bedenken vom Tisch. CDU und FDP ständen geschlossen hinter der Landesregierung. "Da kommt es nicht darauf an, ob wir eine oder drei Stimmen Mehrheit haben." Andere Mitglieder der CDU-Fraktion sind nicht so zuversichtlich. Zum einen werden die schwarz-gelben Abgeordneten in ihren Wahlkreisen wegen des Sparkurses mächtig unter Druck geraten, zum anderen gibt es gerade in der CDU-Fraktion einige Einzelkämpfer.

Dazu gehört etwa Werner Kalinka. Der Abgeordnete aus Dobersdorf bei Kiel wurde von Carstensen mehrfach abgebügelt, zuletzt bei der Aufstellung der Landesliste für die Landtagswahl. Kalinka zog gleichwohl wieder ins Parlament ein und schoss erst vor Kurzem Störfeuer. Der Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels forderte entgegen der schwarz-gelben Sparpläne den Aufbau einer zweiten Einsatzhundertschaft der Polizei.

"Die Regierung steht oder fällt künftig auch mit Kalinka", frotzelte ein CDU-Kollege. Kalinka selbst sieht für die schwarz-gelbe Koalition trotz knapper Mehrheit keine akute Gefahr. "Das kann halten", sagte Kalinka und wies darauf hin, dass er bewusst "kann" und nicht "muss" gesagt habe.

Gefahr droht Schwarz-Gelb aber nicht nur durch Abweichler. Die Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag stützt sich wie berichtet auf drei ungedeckte Überhangmandate der CDU. Ob diese Mandate beim Ausscheiden eines CDU-Politikers aus dem Landtag nachbesetzt werden dürfen, ist umstritten. Die Landtags-Juristen gehen davon aus, dass die Mandate wegfallen. Schwarz-Gelb würde so die Mehrheit verlieren. Da der SSW nicht einspringen will, bliebe Carstensen im Notfall nur ein Jamaika-Bündnis.