Gut 250 Ermittlungsbeamte durchsuchten 27 Büros der IKK Nord und der TK sowie Privatwohnungen. Der Beschuldigte nimmt zu den Vorwürfen bislang keine Stellung.

Kiel. Die Vorwürfe wiegen schwer. Die Kieler Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Krankenkassen-Chef Ralf Hermes (48) wegen des Verdachts der Untreue in einem besonders schweren Fall, der Steuerhinterziehung, des Vorenthaltens von Beiträgen zur Sozialversicherung und der Vorteilsnahme. Nach mehreren Monaten Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft Kiel durchsuchten gut 250 Beamte der Polizei und des Zolls 27 Büros und Wohnungen in Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. Hermes ist Vorstand der IKK Nord und ehemaliger Chef der IKK direkt. Die Ermittlungen richten sich gegen ihn "sowie weitere Personen, die der Tatbeteiligung verdächtig sind", wie der Kieler Oberstaatsanwalt Uwe Wick sagte.

Von der Razzia betroffen war auch die Techniker Krankenkasse (TK). Auch dort stellten die Beamten Beweise sicher, bestätigte TK-Sprecherin Dorothee Meusch dem Abendblatt. Die TK fusionierte im Januar dieses Jahres mit der IKK direkt. "Deshalb waren die Beamten bei der Rechtsnachfolgerin. Beschuldigte sind wir allerdings nicht", sagte Meusch weiter. Nach dem Zusammenschluss kam Hermes in den Vorstand der Techniker Krankenkasse. Bereits im Februar, also nur wenige Wochen nach der Fusion, stellte das Bundesversicherungsamt bei einer Überprüfung Ungereimtheiten bei der IKK direkt fest. Das Amt ist die Aufsichtsbehörde für die gesetzlichen Krankenkassen. Es stellte daraufhin Strafanzeige gegen Hermes. Es soll dabei um überhöhte Zahlungen an ein Finanzdienstleistungsunternehmen gehen, die Hermes zu verantworten hatte. Der Vorwurf: Hermes sei damit nicht wirtschaftlich mit dem Geld der Versicherten umgegangen. Oberstaatsanwalt Uwe Wick sagte, dass der Beschuldigte sich dabei allerdings nicht selber bereichert habe.

Laut "Kieler Nachrichten" soll Hermes auch Millionenkredite unter anderem bei der IKK Nord verantwortet haben, ohne dass es dafür eine rechtliche Grundlage gegeben habe. Brisant: Ralf Hermes ist auch Chef der IKK Nord. Nach Abendblatt-Informationen hatte es nach der Fusion mit der Techniker Krankenkasse eine Kontroverse über Hermes' zweiten Vorstandsposten gegeben. Die TK wollte, dass er diesen aufgibt, er wollte das nicht. Hermes hatte daraufhin seinen Vorstandsposten bei der TK aufgegeben. Mittlerweile soll es darüber eine rechtliche Auseinandersetzung geben.

Hermes soll darüber hinaus als Chef der IKK Nord, der er immer noch vorsitzt, Mitarbeitern mehrfach Überstunden über Aushilfsverträge bei der IKK direkt vergütet haben. So sollen den Finanzbehörden Steuern und den Sozialkassen Beiträge entgangen sein. Die Höhe des Schadens ist bislang nicht bekannt und Gegenstand der Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft hat Unterlagen sowie Daten von Computern aus den Büros und Privathäusern sichergestellt. Diese werden ausgewertet.

Die Ermittler durchsuchten auch die Räume der IKK Nord in Lübeck. Das bestätigte deren Sprecherin Angelika Stahl gegenüber dem Abendblatt. Zu den Vorwürfen nahm sie keine Stellung. Auch Ralf Hermes selbst wollte sich nicht äußern.