Parteien fordern im niedersächsischen Landtag neues Planungsrecht, um Großprojekte zu verhindern.

Celle/Wietze. Die Gegner des Projekts warnen davor, die Autobahn A 7 zwischen Celle und Göttingen zum "Hähnchen-Highway" zu machen, die Befürworter verweisen auf neue Arbeitsplätze und Absatzchancen für zahllose Bauern. In Wietze im Landkreis Celle will die Firma "Emsland Frischgeflügel" einen Großschlachthof bauen mit nahe der Autobahn anfangs 250 und später bis zu 1000 Arbeitsplätzen. Für den Nachschub sollen örtliche Bauern sorgen, es geht um bis zu acht Millionen Mastplätze.

Wietzes Bürgermeister Wolfgang Klußmann (CDU) nennt es seine "vornehmste Aufgabe", für Arbeitsplätze zu sorgen.

Für die 8000-Einwohner-Gemeinde sei die Ansiedlung "wie ein Sechser im Lotto". Der Rat hat es bei nur einer grünen Gegenstimme genauso gesehen und das Projekt passieren lassen. Martin Schulz, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft dagegen warnt vor "Qualzucht" in Riesenställen mit 40 000 und mehr Tieren: "Es geht um industrielle Hähnchenmast mit 25 Tieren pro Quadratmeter." Die Geruchs- und Immissionsbelastung, so fürchtet Schulz, gefährde Tourismusregionen. Die durchaus interessierten örtlichen Bauern warnt Schulz, statt sich in Abhängigkeit von der Agrarindustrie zu begeben, sollten sie "in den Zukunftsmarkt der artgerechten Tierhaltung investieren". Tatsächlich steigt die Nachfrage nach Geflügelfleisch in Deutschland kontinuierlich, aber die Verbraucher greifen vor allem nach preiswerten Angeboten beim Discounter.

Ob nun die örtliche Bürgerinitiative oder Bürgermeister Klußmann, beide Seiten berufen sich beim Thema Großschlachthof auf die Region Weser/Ems, im Volksmund gerne als "Fleischtopf" Deutschlands bezeichnet. In Landkreisen wie Vechta, Cloppenburg und Emsland pendelt auch jetzt mitten in der Wirtschaftskrise die Arbeitslosigkeit um nur sechs Prozent. Basis für diese Stabilität ist die ausgeprägte Landwirtschaft vor allem durch die Vielzahl der Betriebe der Weiterverarbeitung.

Auf der anderen Seite führt dies bei hohen Schweine- und Geflügelbeständen zu wachsenden Protesten der Bürger. Im Landkreis Cloppenburg kommen auf 157 000 Einwohner inzwischen über zwölf Millionen Stück Geflügel. Hans Eveslage, CDU-Landrat von Cloppenburg, spricht deshalb von "extremer Tierdichte" und hat bereits im vergangenen Jahr die immissionsrechtliche Prüfung für Stallneubauten ausgeweitet. Problem der Kreise und Kommunen: Landwirte haben ein Anrecht auf den Bau neuer Ställe, solange jede einzelne Anlage eine bestimmte Größe nicht überschreitet. Sowohl die SPD wie die Linksfraktion wollen deshalb bei der Sitzung des niedersächsischen Landtags in dieser Woche versuchen, die Landesregierung zu einer landesweiten Änderung des Planungsrechts zu drängen. Die Linksfraktion hat einen entsprechenden Antrag eingebracht und verweist darauf, dass rund um Wietze bereits zahlreiche Bauern Mastställe beantragt haben für Anlagen, die auf jeweils 39 999 Tiere ausgelegt sind. "Durch diese Beschränkung auf die sogenannte kleine Stallgröße können die Betreiber auch die vom Gesetzgeber festgelegte Umweltverträglichkeitsprüfung umgehen", kritisiert Marianne König, agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Die CDU/FDP-Landesregierung aber wird am Bauprivileg der Bauern nicht rütteln: "Grundsätzlich hält die Landesregierung die bestehenden Instrumente zur räumlichen Steuerung auf kommunaler Ebene für durchaus ausreichend." In der Mehrzahl der niedersächsischen Landkreise, so das Landwirtschaftsministerium, stelle die Intensität der Tierhaltung bisher kein Problem dar: "Gerade für strukturschwache Regionen bietet sich so die Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen."