Wie früher: Immer mehr Kommunen wollen Bürgern Strom anbieten. Die Rechnung kann aufgehen.

Kiel. Immer mehr Städte in Schleswig-Holstein legen den Hebel um. Sie gründen eigene Stadtwerke und kaufen einst privatisierte Eigenbetriebe zurück. Die Trendwende wird in der Wirtschaft skeptisch gesehen. "Die Rekommunalisierung ist der falsche Weg", warnte der Präsident der IHK Kiel, Klaus-Hinrich Vater. Leidtragender sei letztlich der Bürger.

Viele Lokalpolitiker sehen das anders. Die Landeshauptstadt kaufte in diesem Jahr für 1,5 Millionen Euro die Anteile an der Kieler Verkehrsgesellschaft zurück, die sie 2003 für einen symbolischen Preis von rund 12 500 Euro an ein Konsortium veräußert hatte. Die Stadt möchte zudem ab 2012 wieder die Regie bei der Müllentsorgung übernehmen und denkt auch darüber nach, die Teilprivatisierung der Stadtwerke rückabzuwickeln.

In der Metropolregion gibt es ähnliche Entwicklungen. Hamburg legte sich wieder einen eigenen Energieversorger (Hamburg Energie) zu, Uetersen gründete eigene Stadtwerke. Barmstedt ist einen Schritt weiter. Der Energiebetrieb expandiert, wirbt auch in Lüneburg um Kunden. Norderstedts Stadtwerke bauen derweil ihre Geschäfte im Telekommunikationsmarkt aus, sind inzwischen auch in Neumünster als Partner der dortigen Stadtwerke aktiv.

"Viele Politiker sehen ein, dass der Privatisierungskurs ein Fehler war, und korrigieren ihn", sagte der Geschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen im Norden, Detlef Palm. Mitverantwortlich für den Stimmungsumschwung sei die globale Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie mache lokale und öffentliche Unternehmen populär. "Wir sind wieder in Mode." Für viele Städte und Gemeinden würden sich Eigenbetriebe zudem auszahlen, sagte der frühere Bürgermeister von Reinbek. Kommunale Stadtwerke seien oft ein paar Cent billiger als Energiekonzerne und auch sonst bürgerfreundlicher. "Ihre Gewinne kommen etwa dem örtlichen Kindergarten zugute und landen nicht in irgendeinem Fonds in Amerika."

Ein Ende des Booms sieht Palm nicht. Im Gegenteil: In Schleswig-Holstein denken inzwischen auch Ämter und Gemeinden darüber nach, ob sie wie viele Städte die Energieversorgung in die eigene Hand nehmen oder mit Nachbarn eine Netzgesellschaft gründen. Angeheizt wird die Debatte dadurch, dass in den nächsten Jahren im Norden mehrere Hundert Konzessionsverträge auslaufen. Nur mit ihnen dürfen Konzerne Energie über Gemeindeflächen liefern. Verlängert eine Kommune den Vertrag nicht, könnte sie auch das örtliche Netz kaufen und selbst ins Energiegeschäft einsteigen.

"Den E.ons der Welt schwimmen dann die Felle davon", meinte Palm. Die Versorgungssicherheit würde durch eine Vielfalt kleiner Versorger nicht gefährdet. E.on Hanse sieht das anders. "Manchmal ist auch big beautiful", erklärte Sprecher Ove Struck. Das Unternehmen habe die nötigen Fachkenntnisse, um Störfälle zu beheben, und arbeite effizient.

Die Kommunaloffensive will E.on kontern. Der Konzern bietet Kommunen den Einstieg in eine landesweite Netzgesellschaft an. Gegenwind bekommen die Kommunen auch aus der Wirtschaft. IHK-Chef Vater warf Städten und Gemeinden vor, privaten Unternehmen das Wasser abzugraben. "Den Schaden haben am Ende die Steuer- und Gebührenzahler." Kritik übte er auch am "Wettbewerbsvorteil" der Kommunen. Ihre Eigenbetriebe sind von der Mehrwertsteuer befreit.