Greifswald. Seit mehreren Wochen protestieren Studenten an deutschen Universitäten. In Hamburg, Frankfurt oder Berlin geben sie Laut gegen schlechte Studienbedingungen im Bachelorstudium, gegen Studiengebühren und für mehr Mitspracherecht. Auch an der Uni Greifswald machen Studenten mobil. Doch es geht ihnen nicht um überfüllte Hörsäle und Gebühren. Sie protestieren gegen den Namenspatron der Universität: Ernst Moritz Arndt.

Schon dreimal stand der Student Sebastian Jabbusch von der Initiative "Uni ohne Arndt" mit einem schwarzen Zylinder und einer weinroten Robe auf dem Campus. Durch ein Megafon verlas er antisemitische Texte. Studenten beschimpften ihn, Passanten riefen die Polizei - sie befürchteten eine NPD-Veranstaltung. Doch Jabbusch mimte niemand anderen als Arndt.

Es war Hermann Göring, einer der führenden Politiker im Dritten Reich, der die Universität 1933 nach dem Historiker und Publizisten Ernst Moritz Arndt (1769 bis 1860) benennen ließ. Lange Zeit lehrte Arndt als Professor in Greifswald. Für die Nazis lieferten seine Schriften judenfeindliche Munition im "Rassenkampf", er bezeichnete die Juden als "Ungeziefer". Auch gegen die Franzosen hetzte Arndt im Ton eines nationalen Chauvinismus.

"Wir dürfen nicht länger die Augen verschließen. Wir müssen uns stattdessen fragen, ob wir uns mit den Zielen Arndts und der Namensgebung durch Göring heute noch identifizieren können", sagt Jabbusch. "Und daran habe ich starke Zweifel." Im Sommer stimmten fast alle der 1200 Studenten auf der Vollversammlung für die Umbenennung ihrer Uni und richteten sich mit ihrem Appell an die Leitung der Hochschule. Doch von dieser seien sie schwer enttäuscht. "Der Umgang der Universität Greifswald mit ihrem Namenspatron ist ein geschichtspolitischer Skandal und zeigt, wie sehr man auch heute bemüht ist, die Geschichte zu verdrängen", ergänzt der Student Martin Schubert. "Drei Worte fassen es zusammen: Verheimlichung, Schönfärbung und systematische Manipulation."

In einer schriftlichen Stellungnahme wehrt sich die Leitung der Universität gegen diese Vorwürfe: "Das Rektorat ist sich bewusst, dass Ernst Moritz Arndt in der Öffentlichkeit nach wie vor heftig umstritten ist. Es verwahrt sich in diesem Zusammenhang jedoch gegen jegliche polemische Vorwürfe, unkritisch mit dem Namensgeber der Universität umzugehen." Es wurde eine Kommission gegründet, die sich mit dem Namen der Hochschule auseinandersetzt. Die erste hochschulöffentliche Anhörung werde am 11. Dezember 2009 in der Aula der Universität stattfinden, heißt es in der Erklärung.

Jabbusch, Schubert und ihre Mitstreiter sammeln auf der Internetseite www.uni-ohne-arndt.de den Protest. Und den Protest gegen den Protest. Denn nicht alle sind gegen Arndt als Patron der Uni. "Der Name soll bleiben. Bitte beendet diese Diskussion. Kümmert euch um die wirklich wichtigen Probleme der Uni wie Stellenabbau, mangelhafte Ausstattung, fehlende Forschungsmittel", kommentiert ein Student auf der Seite. Auch Professoren sprechen sich gegen eine Änderung des Namens aus. "Wenn man die Messlatte der Anti-Arndt-Kampagne verallgemeinert, dann steht uns die Abschaffung eines gehörigen Teils der deutschen Kulturgeschichte bevor", argumentiert Professor Reinhard Bach.

Im Januar 2010 wird es eine Premiere an der Universität Greifswald geben. Studenten werden sich in einer Urabstimmung an den Senat der Universität wenden und über eine Umbenennung abstimmen.