Hannover/Wilhelmshaven. Die niedersächsische Schulpolitik kommt nicht zur Ruhe. Während sich aber in den vergangenen Jahren die Koalition gegen Attacken von Opposition, Lehrer- und Schülerorganisationen wehren musste, macht jetzt überraschend der kleinere Koalitionspartner FDP Front gegen die CDU bei einem besonders heiklen Thema: Die Liberalen fordern eine Einschränkung des freien Elternwillens bei der Schulwahl.

Der entsprechende Beschluss am Wochenende auf einem kleinen Parteitag der FDP fiel einstimmig - aber eindeutig ist auch die Ablehnung durch den Partner. "Das gibt es mit der CDU nicht", sagte deren schulpolitischer Sprecher im Landtag, Karl-Ludwig von Danwitz. Und Karl-Heinz Klare, stellvertretender Fraktionschef, warnte den Koalitionspartner vor zu erwartenden heftigen Diskussionen und Protesten betroffener Eltern. Tatsächlich ist die freie Wahl der weiterführenden Schule am Ende des vierten Grundschuljahres tragendes Element der CDU-Politik in Niedersachsen seit Jahrzehnten.

Die Verteidigung dieser Position aber wird künftig noch schwerer. Gestern sprang bereits der Verband der Realschullehrer (VDR) der FDP demonstrativ bei: "Es ist mutig und richtig, das Tabuthema des freien Elternwillens aufzugreifen." Niedersachsen brauche starke Real- und Hauptschulen, sagte VDR-Landesvorsitzender Manfred Busch. Er erinnerte damit an das Dilemma der CDU-FDP-Koalition. Sie setzt unverändert auf das dreigliedrige System, aber zuletzt haben sich nur noch 12,4 Prozent der Eltern dafür entschieden, ihre Kinder auf Hauptschulen zu schicken, 37,4 Prozent wählten die Realschule und 41,8 Prozent das Gymnasium - der Rest verteilt sich auf Gesamt- und Förderschulen.

Damit sind viele kleine Hauptschulstandorte akut gefährdet, weil auch die Zahl der Schüler je Jahrgang beständig sinkt. Hinzu kommen immer neue Gesamtschulgründungen, die ebenfalls den Erhalt von Hauptschulen erschweren. Angesichts dessen warnen Experten wie der Kriminologe Prof. Christian Pfeiffer vor einem Festhalten an der Hauptschule, weil hier Problemgruppen wie Migrantenkinder und Kinder aus bildungsfernen Schichten weitgehend unter sich bleiben.