Ermittler fragen nach Abendblatt-Bericht die Bürger nach den Kontakten des mutmaßlichen Täters.

Der Mord von Glückstadt ist aufgeklärt. Seit einem Tag wissen die Menschen in der Kleinstadt, wer vor sieben Jahren den griechischen Gastwirtssohn Ioannis O. (22) mit mehr als 200 Messerstichen umbrachte. Es war nach Überzeugung der Polizei ein damals gleichaltriger Türke, den in Glückstadt einige kannten.

Am Tag nach dem Abendblatt-Bericht besucht Siegfried Lindhorst, der Chef der Mordkommission Itzehoe, den Vater des Opfers, in dessen Gaststätte El Greco am Marktplatz.

Es ist 9 Uhr. Ein kalter Ostwind weht über den menschenleeren Marktplatz, in dessen Mitte eine Weihnachtstanne steht, deren abgebrochene Spitze den Blick unwillkürlich anzieht. Der griechische Wirt Spiridon O. (55) hat sich eben eine heimatliche Sportzeitung vom Kiosk geholt und die Mülleimer reingestellt.

Nein, es gebe nichts Neues aus der Türkei, sagt Lindhorst schon beim Eintreten in die Gaststätte. Keine Verhaftung.

Beide Männer kennen sich nach den vielen Tagen mit stundenlangen Gesprächen und duzen sich.

"Ich warte auf die Verhaftung", sagt Spiridon O. mit leiser Stimme. "Jetzt, wo ich weiß, dass der Fall gelöst ist, geht es mir besser. Ich habe ein besseres Gefühl." Spiridon O. (55) ist jedoch über den Mord vor der eigenen Haustür an der Glückstädter Anckenstraße nicht hinwegkommen.

Er wirkt heute ruhig und freundlich, doch die Augen wandern unruhig durch den Raum, finden keinen Halt, und er reibt immer wieder seine Hände. Recep K., der mutmaßliche Mörder, hat sich in seine Heimat abgesetzt. Seit vier Monaten haben die türkischen Behörden den internationalen Haftbefehl nicht vollstreckt. Der Verdächtige arbeitet weiter unbehelligt in einem Luxushotel.

"Ich habe gleich nach dem Mord gesagt: Die Antwort liegt in Glückstadt", sagt der Wirt. "Ich habe es einfach gewusst." Dann berichtet Spiridon O., wie er seinen Sohn vor Recep K. immer wieder warnte, weil der als Türsteher eines Hamburger Bordells im Rotlichtmilieu verkehrte. Spiridon O. lebt heute mit seinem anderen Sohn Christos (27) in Glückstadt. Beide betreiben das Lokal, das von Stammgästen lebt. Der Vater hat sich arrangiert, will noch ein paar Jahre in Deutschland bleiben. "Wenn ich zu den Gästen gehe, dann lächle ich. Es ist Schauspielerei", sagt er. "Es muss sein, keiner will einen Wirt mit einem langen Gesicht sehen."

Viel gehört habe er nicht, seitdem bekannt ist, wer für den Mord verantwortlich sein soll, sagt der Grieche. "Ich war kaum draußen, habe die Küche in der Gaststätte kaum verlassen", sagt er. "Angesprochen hat mich keiner."

Und sowieso herrsche seit dem Mord Sprachlosigkeit in Glückstadt ihm gegenüber. "Früher sind die Nachbarn auf mich zugekommen, fragten, ob sie helfen könnten, wünschten einen guten Tag oder fragten, wie es mir geht", sagt er und knetet die Hände. "Heute kommt kaum noch ein Hallo. Die Menschen sind hart geworden." Etwas, das Mordermittler häufiger erleben: Nachbarn ziehen sich zurück, weil sie nicht wissen, wie sie mit den Angehörigen der Opfer und deren Trauer umgehen sollen.

Lindhorst sucht Hinweise auf den Tatverdächtigen Recep K., über den noch immer wenig bekannt ist: In Elmshorn geboren, in der Türkei aufgewachsen, türkischer Staatsbürger, dann nach Deutschland zurückgekehrt. "Seine Wohnung war leer; Recep K. kam mal da und dort unter", sagt Lindhorst. Es sei bis heute ein Rätsel, warum der Mörder so häufig zustach. Es war ein Raubmord, weil die Tageseinnahmen, die das Opfer bei sich hatte, fehlten. Doch bei der Tat muss unglaublich viel Wut dabei gewesen sein, ist die Kripo sicher. Wut, für die es noch keine Erklärung gibt. Für eine Beziehungstat gebe es keine Hinweise.

Dann unterhalten sich beiden über die Verbindungen des Verdächtigen in Glückstadt. Recep K. soll in dem zweiten griechischen Restaurant Hellas im Service ausgeholfen haben. Später auch in dem Restaurant des Opfers. "Richtige Arbeit war das nicht", sagt Spiridon O. Doch ein klares Bild ergibt sich nicht. Opfer und mutmaßlicher Mörder sollen auch zusammen häufiger in Diskotheken gefahren sein.

"Die Glückstädter müssen die Neuigkeiten erst mal verdauen, das dauert", sagt Lindhorst. Am Nachmittag werden seine Mitarbeiter wieder durch die Straßen gehen und fragen.