Vor Wochenfrist hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versichert, das marode Endlager Asse bei Wolfenbüttel werde trotz fast 28 Kilogramm Plutonium gründlich saniert, damit sich vor Ort “niemand Sorgen machen muss“.

Hannover. Gestern reagierte das Kanzleramt in Berlin ganz ähnlich auf die neuen Vorwürfe, die Politik habe unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) im Jahr 1983 eine wissenschaftliche Studie über das geplante Atomendlager Gorleben manipuliert. Alle dazugehörigen Akten seien angefordert, würden geprüft und neu bewertet, versicherte Merkels Sprecher Klaus Vater.

Und dann fügte er an, ihn persönlich verwundere, dass die Akten, die über ein Vierteljahrhundert schlummerten, ausgerechnet drei Wochen vor der Bundestagswahl auftauchten. Der Herr eben dieser Akten, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), saß zu diesem Zeitpunkt in Hannover in einer Pressekonferenz und machte trotz des Themas Atomenergie einen gut gelaunten Eindruck. Er schlug sofort den Bogen zwischen den beiden Projekten Gorleben und Asse. In beiden Fällen handelt es sich um Salzstöcke, in der Asse gibt es bereits gefährliche Wassereinbrüche.

Ganz ähnliche Gefahren in Gorleben haben im Jahr 1983 auch die Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) formuliert. Aber die zuständigen Unionsminister Heinz Riesenhuber (Forschung) und Friedrich Zimmermann (Inneres) sorgten damals dafür, dass Gefahren in der Studie kleingeredet wurden. Hinzu kam ein betont optimistischer Ausblick auf die Eignung.

Glaubt man allerdings Gabriel, dann war die Schönrederei letztlich erfolglos. 2015 laufen die Pachtverträge für die Flächen über dem Erkundungsbergwerk Gorleben aus, und die Bauern vor Ort werden sie nach seiner Einschätzung auf keinen Fall verlängern: "Das Vertrauen vor Ort in die Politik ist total zerstört." Potenzielle Wähler im Blick, legte Gabriel die eigene Partei gestern zudem für eine denkbare Wiederauflage der Großen Koalition nach der Bundestagswahl fest: "Mit Sozialdemokraten wird es keine Enteignungen geben." Diese Botschaft hören die Menschen im Wendland gerne, aber sie sind auch misstrauisch. Jahrzehntelang, so formulierte es gestern der Sprecher der Initiative "ausgestrahlt", Jochen Stay, hätten "Regierungen aller Couleur" sich von der Atomwirtschaft einspannen lassen: "Weicht Gabriel von seiner Aussage nach der Wahl auch nur einen Millimeter ab, verspielt er alle Glaubwürdigkeit."

Gabriel seinerseits warb gestern für eine völlig neue Standortsuche mit unterschiedlichen Lagerstätten in Salz, Ton und Granit. Damit, so Gabriel, würden auch süddeutsche Standorte möglich. Gegenwärtig konzentrieren sich mit den Endlagern Morsleben, Asse und Schacht Konrad alle derartigen Einrichtungen in Norddeutschland. Selbst der Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der Gorleben weiter erkunden lassen will, sieht diese Konzentration als nachteilig. Für den Fall, dass Gorleben sich als nicht geeignet herausstellt, lehnt er einen neuen Standort in Niedersachsen kategorisch ab.

Die Stichworte Asse, Gorleben aber auch die Diskussion über längere Laufzeiten für Kernkraftwerke haben dazu geführt, dass am vergangenen Wochenende Zehntausende in Berlin gegen die weitere Nutzung der Kernkraft demonstrierten - die größte Kundgebung seit 20 Jahren. Der CDU-Vizefraktionschef im niedersächsischen Landtag, Karl-Heinrich Langspecht, warf gestern Umweltminister Gabriel vor, er skandalisiere die Vorgänge in Gorleben und der Asse: "Sie machen Wahlkampf mit den Ängsten der Menschen."