Die Kultusministerin hat Details aus der Personalakte ihres Kritikers in der Presse lanciert, sagt Oppositionsführer Wolfgang Jüttner.

Hannover. SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner unternimmt eine Gratwanderung. Er forderte gestern in Hannover den Rücktritt von Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU): "Der ist nicht fällig, sondern überfällig." Aber er stützt diese Forderung auf Unterlagen, über deren Inhalt er nichts sagen darf, weil die Regierung sie für vertraulich erklärt hat. Wer gegen die "Verpflichtungserklärung" verstößt, macht sich strafbar - Geld oder sogar Haftstrafe drohen.

Es geht um das immer noch laufende Disziplinarverfahren gegen den Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Eberhard Brandt. Der wurde im Frühjahr in Medienberichten als "Schulschwänzer" durch den Kakao gezogen, weil er angeblich seiner Unterrichtsverpflichtung nicht nachgekommen war. Es war dies die Zeit, in der Kultusministerin Heister-Neumann sich einer Front von Schüler-, Lehrer- und Elternorganisationen gegenübersah, die gegen ihre Schulpolitik zu Felde zogen.

SPD und Grüne sehen Hinweise, dass Auszüge aus der Personalakte des GEW-Chefs aus der Ministerialbürokratie gezielt gestreut wurden, um den führenden Regierungskritiker zu diskreditieren. Und Oppositionsführer Jüttner ging gestern noch einen Schritt weiter. Die vertraulichen Akten, so sein Fazit nach Aktenstudium, "haben den Verdacht erhärtet, dass die Einleitung des Disziplinarverfahrens auf Weisung der Spitze des Kultusministeriums erfolgte".

Jüttners Vorwurf an Ministerpräsident Christian Wulff (CDU): "Wir ziehen den politischen Schluss, dass die Landesregierung Akten nur deshalb für vertraulich erklärt hat, um ihre Kultusministerin zu schützen." Das nannte Jüttner "hanebüchen." Er könne sich nur schwer vorstellen, "dass die Staatskanzlei nicht informiert war".

Heister-Neumanns Sprecher Andreas Krischat, dessen Rolle die GEW inzwischen als "dubios" bezeichnet, mochte gestern zu konkreten Fragen nichts sagen: "Personalangelegenheiten sind grundsätzlich vertraulich." Problem des Kultusministeriums: Wenn es das Disziplinarverfahren gegen den GEW-Chef niederschlägt, muss es sich den Vorwurf gefallen lassen, es sei von Anfang an nur um den Versuch gegangen, den Mann in ein schlechtes Licht zu setzen. In der Sache hat man sich längst mit Brandt auf eine neue Freistellung von der Unterrichtsverpflichtung geeinigt. Endet aber das Verfahren mit einer Disziplinarstrafe, kann Brandt dagegen vor Gericht ziehen und auf vollständige Akteneinsicht pochen. Genau diesen Schritt hat Brandt bereits angekündigt. Darüber hinaus hat er Strafanzeige erstattet wegen Bruchs des Dienstgeheimnisses. Laut Staatsanwaltschaft Lüneburg laufen die Ermittlungen, bislang aber gibt es "keinen konkret Beschuldigten".

Gerüchte, Ministerpräsident Wulff wolle seine glücklose Kultusministerin Heister-Neumann nach der Bundestagswahl ablösen, hat es schon im Zusammenhang mit den Massenprotesten im Frühsommer gegeben. Ihr Staatssekretär Peter Uhlig ist vor der Sommerpause abgelöst und durch das politische Schwergewicht Bernd Althusmann ersetzt worden. Der gilt als ministrabel.

Oppositionsführer Jüttner ließ gestern offen, wie die SPD den Druck erhöhen will, um die Öffnung der Unterlagen zu erzwingen. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht erst in diesem Sommer in einem Urteil bekräftigt, dass Akteneinsicht ein elementares Recht der Parlamentarier ist. Bleibt die Landesregierung hart, könnte die SPD vor den Staatsgerichtshof in Bückeburg ziehen.