50 Jahre war das Paar verheiratet, lange pflegte der 75-Jährige seine Gattin. Als ihn die Kraft verließ, stach er zu.

Hildesheim. Tief über seinen Rollator gebeugt, geht der Angeklagte langsam in den Gerichtssaal. Dieser Mann hat kaum die Kraft, sich zu bewegen, er hatte auch nicht die Kraft, seine Frau umzubringen. Aber er hatte es gewollt. Die Staatsanwaltschaft Hildesheim wirft dem 75-Jährigen versuchten Totschlag vor.

Jahrelang hat er seine schwer kranke und bettlägerige Ehefrau zu Hause gepflegt, doch dann fühlt er sich selbst zu schwach, um seiner Frau weiter beizustehen. Eine Stunde lang soll er der 77-Jährigen ein Kissen auf das Gesicht gedrückt und danach noch ein Messer in den Hals gestochen haben. Dann wollte er sich nach eigener Aussage bei der Polizei selber töten.

Doch vor dem Landgericht Hildesheim will sich der Rentner zu Prozessstart an nichts mehr erinnern. Der alte Mann ist erleichtert, als er sich endlich hinsetzen kann. Seinen beigefarbenen Hut hat er ordentlich auf seinem Rollator abgelegt. Der 75-Jährige aus Woltershausen (Kreis Hildesheim) erzählt zunächst von besseren Zeiten: "Wir sind zusammen zur Schule gegangen, in Schlesien, dort haben wir uns kennengelernt." Mehr als 50 Jahre lang war er mit seiner Frau verheiratet, drei Kinder haben sie. "Unsere Ehe war gut, wir haben uns voll vertraut", schildert er.

Dann wird die Frau krank, bekommt Rückenprobleme und kann schlecht laufen. Ein Gehirnschlag kommt hinzu - die Frau kann nur noch im Bett liegen.

"Ich konnte nicht mehr mit ihr reden, das war das Schlimmste", sagt der Rentner. Morgens und abends kam ein Pflegedienst, tagsüber war der Rentner mit seiner Frau allein. "Wir hatten gesagt, uns gegenseitig zu pflegen, solange es geht", schildert der Angeklagte. Alle drei Stunden habe er seine Frau im Bett gedreht - auch nachts. Da stellte er sich einen Wecker. Er habe sie gefüttert, ihr Spritzen gegen den Zucker gegeben und sie gewickelt. Dann bricht er zusammen, bekommt einen Herzschrittmacher. Hilfe aber lehnt er weiter ab - seine Frau soll nicht ins Heim. Auf keinen Fall. "Ich habe sie nicht umbringen wollen", sagt er leise zu den Richtern.

Bei der Polizei hat er vor sieben Monaten das Gegenteil ausgesagt. Doch was er damals gesagt hat, daran könne er sich nicht mehr erinnern. Es könne auch stimmen, was der Richter ihm aus den Akten vorhält. Ein Geständnis bringt der Rentner nicht über die Lippen.

Die Altenpflegerin, die die kranke Frau betreut hat, betont, dass der 75-Jährige sich "vorbildlich und liebevoll" um seine Ehefrau gekümmert habe. Aber er habe nicht gern Hilfe angenommen, obwohl er oft unter Atemnot litt.

Die Frau starb schließlich Monate nach der Attacke im April eines natürlichen Todes. Das Urteil gegen den Mann soll am 19. August gesprochen werden.