Alarmstimmung beim Arbeitsgericht Lüneburg. Fast 100 Streitigkeiten liegen zurzeit bei einer Kammer auf Eis, davon etliche Kündigungssachen.

Lüneburg. "In absehbarer Zeit" könne nicht mit einem Termin zur Kammerverhandlung gerechnet werden, heißt es dort. Der Grund: Wegen einer Haushaltssperre - verfügt durch das Land Niedersachsen und verbunden mit einem Einstellungsstopp - kann die Stelle eines Vorsitzenden Richters nicht besetzt werden. Der Altbestand der Kammer könne "nur noch verwaltet werden". "Die Richter des Arbeitsgerichts Lüneburg sind der Auffassung, dass die nun eingetretene Situation für die Parteien letztlich nicht mehr hinnehmbar sein dürfte", heißt es in einem Schreiben des Direktors des Arbeitsgerichts an Rechtsanwälte, das dem Abendblatt vorliegt. "Insoweit bestände von hieraus durchaus Verständnis, falls die Parteien sich beschwerdeführend an den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen beziehungsweise an den niedersächsischen Justizminister wenden würden."

Seit dem 1. Juni dieses Jahres sind von den 3,5 Planstellen des Arbeitsgerichts Lüneburg nur noch 2,5 Planstellen besetzt. "Dass Fälle nicht zeitnah terminiert werden, ist ein außerordentlich problematischer Zustand", sagt dazu der Hamburger Rechtsanwalt Jan H. Kern, der einen Mandanten in einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Lüneburg vertritt.

"In dem Fall geht es um eine fristlose Kündigung", erklärt der Fachanwalt für Arbeitsrecht. "Beide Parteien müssen zeitnah erfahren, wie die Rechtslage ist."

Wenn es keine juristische Klarheit gebe, "ist das wirtschaftlich kaum noch hinnehmbar. Durch eine lange Prozessdauer wird damit ein enormer Druck erzeugt, sich zu einigen. Einen derartigen Zustand habe ich in 22 Jahren arbeitsrechtlicher Tätigkeit noch nicht erlebt." Doch eine gewisse Entspannung der Lage ist mittlerweile in Sicht. Weil so viele Streitigkeiten nicht terminiert werden konnten, habe es "eine Unzahl von Beschwerden" unter anderem von Rechtsanwälten und Gewerkschaften gegeben, sagte der Direktor des Arbeitsgerichts Lüneburg, Eckehard Wackenroder, dem Abendblatt.

Zum 1. September sei jetzt eine Vertretung zugesagt, dann aber auch nur für zwei Monate. "In der Zeit kann nur das Notwendigste verhandelt werden."

Zudem sei die fehlende Richterstelle vor wenigen Tagen ausgeschrieben worden. "Wann sie aber besetzt wird, ist noch nicht abzusehen. Es ist insgesamt eine missliche Lage."