Jugendliche schlagen mit Eisenkette auf Flaschensammler ein. Zwei der Täter in Haft

Kiel. Nach einem extrem brutalen Überfall von vier Jugendlichen auf einen 42-jährigen Mann in der Kieler Innenstadt wurde gegen die beiden Haupttäter gestern Haftbefehl erlassen. Das bestätigte Birgit Heß, Sprecherin der Kieler Staatsanwaltschaft, dem Abendblatt. Die beiden Tatverdächtigen sitzen in Untersuchungshaft. Der Vorwurf lautet gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung.

Es gab keinen Streit. Keine Provokation. Keinen Grund. Trotzdem haben die Jugendlichen im Alter von 17 bis 21 Jahren in der Nacht von Freitag auf Sonnabend ihr schutzloses Opfer in der Nähe des Hauptbahnhofs zusammengeschlagen - mit schweren Eisenketten, die etwa für Absperrungen auf Parkplätzen verwendet werden. Außerdem soll jemand aus der Gruppe mit einer Glasflasche nach dem Mann geworfen haben.

Der 42-Jährige hatte nichts getan - außer zufällig dort gewesen zu sein. Er wollte Pfandflaschen sammeln, um etwas Geld zusätzlich zu verdienen. Den Jugendlichen reichte diese Tatsache offenbar als Grund, um den Mann anzugreifen. Warum die Tatverdächtigen ihr Opfer so brutal attackiert haben, ist völlig unklar. War es die pure Lust an Gewalt? Oder die Sehnsucht nach einem Kick? "Die jungen Männer scheinen aus einer Laune heraus gehandelt zu haben", sagte der diensthabende Leiter der Polizei-Einsatzleitstelle gestern dem Abendblatt. Die Auswertung einer Überwachungskamera habe ergeben, dass der Mann die mutmaßlichen Täter jedenfalls nicht provoziert habe. Ob die Jugendlichen vor dem brutalen Angriff auf den 42-jährigen Flaschensammler Alkohol oder Drogen konsumiert haben, wollte die Staatsanwaltschaft gestern nicht beantworten.

Es ist ein Gewaltexzess, der für Fassungslosigkeit sorgt. Der Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) reagierte mit Entsetzen auf die brutale Attacke. "Ich bin zutiefst schockiert darüber, dass solche Verrohung in der Gesellschaft Platz greift", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Solche Gewalttaten müssten als Mahnung begriffen werden. Die Gesellschaft dürfe nicht zulassen, dass Gewalt aus Freude am Verletzen Alltag in der Gesellschaft wird. Auch Schulen und Eltern müssten problematisieren, dass mit Gewalt in Medien und Internet zu bedenkenlos umgegangen werde, sagte Albig. "Offensichtlich vermischen zu viele Menschen die Grenzen zwischen Realem und Virtuellem", so Albig.

Nach den bisherigen Ermittlungen war der 42-jährige Mann kurz vor Mitternacht von den Kieler Jugendlichen angegriffen worden. Um 23.50 Uhr alarmierten Zeugen die Polizei und meldeten einen verletzten Mann in der Kaistraße hinter einem Restaurant. Das Opfer hatte seinen Peinigern entkommen können und sich dorthin gerettet. Er erlitt unter anderem Kopfverletzungen und Hämatome im Gesicht. Der Mann wurde ins Krankenhaus gebracht, das er am Sonnabend wieder verlassen konnte. Er hat noch Glück gehabt - die Verletzungen hätten leicht sehr viel schwerer sein können.

Noch am Tatort erhielten die Polizeibeamten Hinweise und Beschreibungen der Verdächtigen. Bei der Fahndung mit neun Streifenwagen stellten sie die vier Jugendlichen kurz darauf. Nach der Feststellung der Personalien und erkennungsdienstlichen Behandlung wurden die Tatverdächtigen zunächst wieder freigelassen. Doch am nächsten Tag gab es offenbar neue Erkenntnisse. Aufgrund des Vorstrafenregisters ließ die Kieler Staatsanwaltschaft zwei der vier Tatverdächtigen festnehmen und beantragte Haftbefehl. "Die 17 und 18 Jahre alten Männer sind bereits in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten", sagte Oberstaatsanwältin Birgit Heß.

Gestern Nachmittag wurden die zwei Haupttäter schließlich dem Haftrichter vorgeführt. Die beiden anderen 20 und 21 Jahre alten Tatverdächtigen werden der Mittäterschaft beschuldigt, gegen sie liegen aber laut Staatsanwaltschaft keine Haftgründe vor.

Gewalttaten Jugendlicher haben in der jüngeren Zeit immer wieder für Entsetzen gesorgt. In Hamburg kam es vor einem Jahr am S-Bahnhof Jungfernstieg zu einer Messerattacke, bei der ein 19-Jähriger starb.