Göttingen. In zwei Sammlungen lagern an der Universität Göttingen über 1000 menschliche Überreste, die meist zu Kolonialzeiten erbeutet wurden. Einige von ihnen treten nun den Weg zurück in ihr Herkunftsland an.

Menschliche Überreste aus Palau sind in Göttingen bei einer feierlichen Zeremonie an ihr Herkunftsland zurückgegeben worden. Gebeine von zehn Menschen wurden am Montag von der Universität Göttingen und den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen an die Inselrepublik im Pazifik zurückgegeben. Die menschlichen Überreste wurden zu Kolonialzeiten unter anderem aus Gräbern geklaut. Neben Schädeln und Knochen wurden auch eine Haarprobe und eine Gipsbüste übergeben.

Der Präsident der Universität Göttingen, Metin Tolan, und die Direktorin der Ehtnographischen Sammlungen Sachsen, Léontine Meijer-van Mensch baten die Delegation aus Palau um Entschuldigung wegen der Verletzung der Menschenrechte durch den Grabraub. Moderatorin Birgit Abels von der Universität Göttingen sagte, sie hoffe, dass die Rückgabe der Gebeine dabei helfen könne, Wunden zu heilen.

Der Kulturminister der Inselrepublik, Ngiraibelas Tmetuchl, akzeptierte die Entschuldigung und bedankte sich für die Rückgabe der Gebeine. „Dankeschön“, sagte er auf Deutsch. Er könne verstehen, dass es schwierig für die Deutschen sei, die eigene Vergangenheit zu akzeptieren bei diesem Thema. Er hoffe, dass Palau und Deutschland ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit fortsetzen.

Genaue Herkunft der Gebeine unbekannt

In der ehemaligen deutschen Kolonie Palau werden Menschen traditionell in der Nähe ihrer Mutter begraben. Das sei für die nun zurückkehrenden Gebeine wegen fehlender Informationen über ihre genaue Herkunft allerdings nicht möglich, sagte Tmetuchl. Das Mindeste, was man tun könne, sei daher die Rückkehr zu ihren Landsleuten.

Menschliche Überreste seien ein sehr sensibles Thema, sagte Kurt Neubert vom Niedersächsischen Kulturministerium. Schließlich sei der Umgang mit Toten bedeutsam für eine Kultur. Nach dem niemals gerechtfertigten Raub seien die Gebeine zu bloßen Objekten geworden. „Das stellen wir nun richtig“, sagte er auf Englisch. „Wir geben den Seelen ihre Würde zurück.“

Uni Göttingen forscht zu Herkunft menschlicher Überreste

Die Rückgabe ist Teil des internationalen Forschungsprojektes „Sensible Provenienzen“, dass über 1000 menschliche Überreste in den Sammlungen der Universität auf ihre koloniale Vergangenheit untersucht. An der Uni Göttingen lagern die Gebeine in Kartons in der Blumenbachschen und anthropologischen Sammlung. Seit Sommer 2020 untersuchen Göttinger und internationale Wissenschaftler die menschlichen Überreste auf ihre koloniale Vergangenheit. Die meisten Gebeine in Göttingen stammen aus dem 18. Jahrhundert. Sie wurden von Forschern aus ihren Herkunftsländern und teilweise heiligen Stätten für die Rassenforschung gestohlen - etwa durch Wissenschaftler oder Händler. Dabei kam es nach Angaben der Hochschule auch zu Grabplünderungen. Über Handelsunternehmen gelangten sie in den Besitz der Hochschule. Die Uni Göttingen hat im Rahmen des Forschungsprojektes bereits mehrfach Gebeine an Herkunftsländer zurückgegeben, unter anderem an Hawaii und Neuseeland. Die Zahl der bisher zurückgegebenen Gebeine liegt laut einer Hochschulsprecherin im unteren zweistelligen Bereich. Das zeige, wie aufwendig die Arbeit sei.

Am Abend soll im Göttinger Wissensmuseum Forum Wissen eine digitale Sonderausstellung zu dem Thema offiziell eröffnet werden. Sie soll das Forschungsprojekt und die Schädelsammlungen der Hochschule beleuchten. Die Ausstellung „Unpacking Colonialism“ befasst sich mit der Frage, wie mit dem Raubgut umgegangen werden soll, wie das Forum Wissen mitteilte. Internationale Gastwissenschaftler des Forschungsprojektes kommen dazu in englischsprachigen Kurzfilmen zu Wort. Die Forscher aus den Herkunftsländern der Gebeine sprechen dabei unter anderem über ihre Forderungen im Umgang mit den menschlichen Überresten.