Der Biohof in Bienenbüttel hat umgesattelt und verzichtet auf Sprossen. Der Betrieb kämpft nach EHEC aber noch immer um seine Existenz.

Bienenbüttel/Hannover. Brachliegende Felder, ungenutzte Maschinen - auf dem Biohof in Bienenbüttel kann man das ganze Elend von Klaus Verbeck und Uta Kaltenbach besichtigen. Knapp ein Jahr nach der EHEC-Epidemie, als deren Ausgangspunkt der Biohof im Landkreis Uelzen ausgemacht worden war, machen Verbeck und seine Lebensgefährtin gerade wieder 15 Prozent vom damaligen Umsatz. Vor allem Stammkunden etwa auf dem Wochenmarkt in Lüneburg haben ihren Lieferanten die Treue gehalten, aber das reicht nicht hinten und nicht vorne für den Gärtnermeister: "Obwohl bei uns nichts gefunden wurde, sind wir in der Öffentlichkeit immer noch der EHEC-Hof."

Tatsächlich sind auf dem Hof damals Hunderte von Proben genommen worden - ohne Befund. Trotzdem gibt es keinen vernünftigen Zweifel, dass Sprossensamen aus Ägypten den EHEC-Erreger trugen und von hier aus den Weg in gastronomische Betriebe wie in die Gemüsetheken fanden. Fast vier Wochen lang hatten nach Ausbruch der Seuche Anfang Mai 2011 Bundesbehörden, allen voran das Robert-Koch-Institut, fieberhaft nach dem Ursprung der gefährlichen Erreger gefahndet. Anfangs sollten es Gurken aus Spanien sein, dann brach der gesamte Gemüsemarkt ein. Aber das Heer der Fachleute der Bundesbehörden konnte auch mit hochkomplexen Fragebögen für Erkrankte keine Klarheit schaffen.

Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium ging damals seinen eigenen Weg. Akribisch und in Nacht- und Wochenendschichten verfolgten hier die Beamten die Lieferwege der betroffenen Restaurants und Kantinen und das führte schließlich zum Erfolg. Später konnten die Fachleute sogar nachweisen, dass auch in Frankreich auftretende Erkrankungen mit einer Lieferung von Bockshornkleesamen aus Bienenbüttel zusammenhingen.

Der Sonntagabend im Juni, an dem Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) dann die Katze aus dem Sack ließ, war auch der Abend, an dem die heile Welt des Biohofes in Trümmer ging. Am Telefon erfuhren Verbeck und Kaltenbach von der Sperrung ihres Betriebes, danach war die Hofanlage im Stadtteil Steddorf über Tage regelrecht belagert von Fernsehteams aus aller Herren Länder. "Das war eine Schocksituation", erinnert sich der Gärtnermeister: "Es war einfach zu viel."

Nach sechs Wochen erlitten beide, wohl auch angesichts der anhaltenden Schlagzeilen über die Seuche mit immer neuen Todesopfern, einen Nervenzusammenbruch. Zwar hat Niedersachsens Landwirtschaftsminister Lindemann dem Biohof schon damals attestiert, es gebe kein persönliches Verschulden der Betreiber und die hygienischen Vorschriften seien eingehalten worden, aber der Ruf war erst einmal ruiniert: "Geholfen haben Freunde und viele Kunden - und auch die Unterstützung von vielen Fremden per E-Mail", sagt Verbeck. Monatelang haben sie sich dann mit dem Verkauf von Maschinen über Wasser gehalten, auch die Sprossenanlage wurde versilbert. Die Produktion der Sprossen, früher tragende Einnahmequelle des Hofes, ist endgültig eingestellt. Inzwischen steigen die Umsätze langsam wieder: "Wir fangen im Prinzip wieder bei null an." Von einst 15 Mitarbeitern seien nur eine Teilzeitkraft und eine Aushilfe übrig geblieben.

Die Krise und die neue Situation, das hat tiefe Spuren hinterlassen: "Die Prioritäten haben sich verändert, das Wirtschaftliche spielt eine wesentlich geringere Rolle als früher", erläutert Geschäftsführer Verbeck nachdenklich: "Das kann einem - anders als Freundschaften - schnell genommen werden."

Gelitten haben im Frühsommer 2012 die Gemüsebauern quer durch Europa durch die EHEC-Seuche. Am Ende legte die Europäische Union ein Notpaket auf und entschädigte die Bauern mit 227 Millionen Euro wenigstens teilweise dafür, dass sie Gurken, Tomaten, Blattsalat und Zucchini mangels Nachfrage hatten vernichten müssen. Insgesamt starben damals 53 Menschen nachweislich an der Seuche, über 4300 Erkrankungen wurden registriert, darunter auch viele mit dem gefährlichen Hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). Die Kliniken vor allem in Norddeutschland kamen damals an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Das Robert-Koch-Institut stellte später fest, es habe sich um den größten EHEC-Ausbruch in der deutschen Geschichte gehandelt.