Zehn Jahre lang war die Stute mit Mannschafts-Goldmedaillengewinner Andreas Dibowski international im Einsatz. Jetzt startet sie mit Besitzerin Beate Hohnfeldt bei ländlichen Turnieren in der Dressur.

Amelinghausen/Nindorf. Diesen Abschied eines Weltklassepferdes aus dem internationalen Leistungssport wird keiner so schnell vergessen, der bei den deutschen Vielseitigkeitsmeisterschaften in Schenefeld dabei war. Andreas Dibowski nicht, der mit Serve Well zuletzt die Vielseitigkeit beim CHIO in Aachen gewinnen konnte, und erst recht nicht Beate Hohnfeldt. Für die Tierärztin aus Amelinghausen ist die Stute längst ein Stück Lebensinhalt geworden. Bei der Abschiedvorstellung in Schenefeld war Frau Doktor froh, dass sie fest im Sattel saß und mit ihrer "Fritzi" (auch Pferde-Damen haben Kosenamen) Lektionen aus einer S-Dressur vorführen durfte. "Dadurch musste ich mich konzentrieren und meine Augen sind wieder trocken geworden."

Viele unter den Zuschauern hatten Tränen in den Augen. Während Beate Hohnfeldt und ihr Serve Well die Hohe Schule der Dressur vorführten, sang Jan-Peter Flöttmann den Evergreen "You race me up" ("Du bringst mich hoch"", die passende Hymne für ein Pferd, das zehn Jahre lang mit Andreas Dibowski in der Weltliga der Vielseitigkeit Anerkennung und Erfolge gesammelt hatte.

Häufig mussten sich die beiden dabei von Wertungsrichter Christoph Hess beurteilen lassen. Diesmal hielt er die Laudatio auf die Stute mit der außergewöhnlichen Lebensgeschichte. Elf Jahre sind vergangen, da war Beate Hohnfeldt ihrem Pferd das erste Mal begegnet. "Das war bei einer Auktion in Verden", sagt die leidenschaftliche Freizeitreiterin. "Sie war damals vier, ziemlich hibbelig und luschig und eigentlich wollte sie keiner haben. Aber irgendwie hat mich ihre angespannte, etwas unsichere Aufmerksamkeit angesprochen. Für kleine Vielseitigkeitsprüfungen ist sie vielleicht doch gut genug, habe ich überlegt und beim Bieten die Hand gehoben. Ich habe Serve Well für verhältnismäßig kleines Geld bekommen." Und sofort "Fritzi" gerufen, weil sie so flitzig und angespannt ist.

"Es war sehr viel Geduld und Liebe und Einfühlungsvermögen erforderlich", sagt die Besitzerin, "sie will nie einen Fehler, immer alles perfekt machen, sie ist übermotiviert und es hat lange gedauert, ehe wir den rechten Umgang mit ihr gefunden hatten. So muss sie Dressuraufgaben vorher üben. Sie will beim Turnier vorher wissen, was von ihr gefordert wird. Überraschungen machen sie nervös."

Es war der heutige Bundestrainer Hans Melzer, der in Luhmühlen das Potenzial von Serve Well als Vielseitigkeitspferd entdeckte. "Ich habe schnell erkannt, dass sie für mich zu gut ist", sagt Beate Hohnfeldt und sprach mit Andreas Dibowski. Daraus entwickelte sich eines der ungewöhnlichsten Dreiecks-Verhältnisse des internationalen Reitsports. Zehn Jahre lang ist der Olympiasieger mit der hochbegabten Stute international aufgetreten. Aber Serve Well war in all den Jahren immer in Amelinghausen und wird überwiegend von Beate Hohnfeldt trainiert und vorbereitet, in Zusammenarbeit mit Andreas Dibowski. Und wo immer er mit Serve Well geritten ist, Beate Hohnfeldt war dabei. Sie hat ihre "Fritzi" gefüttert und gestriegelt, für die Prüfungen vorbereitet und abgeritten. Wenn sie bei internationalen Turnieren verlockende Kaufangebote bekam, "habe ich gesagt, sorry, ich verstehe kein Englisch", so die Tierärztin. Nur einmal, da war das Kaufangebot so verführerisch hoch, da hat selbst Andreas Dibowski gesagt: "Beate, jetzt kannst du nicht mehr Nein sagen." Tagelang hat Beate Hohnfeldt überlegt, dann wurde das Kaufangebot zurückgezogen. "Bis heute bin ich nicht unglücklich darüber", sagt sie.

Nach dem bewegenden Abschied werden Beate Hohnfeldt und ihre Fritzi bei ländlichen Turnieren in der S-Dressur starten - heute in Dannenberg und am Sonntag in Hermannsburg. Und dann wächst im Stall in Amelinghausen eine neue Hoffnung heran, "Norbert", ein Jahr alt und der Sohn von Serve Well.